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Radnetzkonstruktion bei einer Spaltenkreuzspinne (Nuctenea umbratica)

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Andreas Penselin:
Hallo,
ich habe gestern das Radnetz (etwa 25 cm hoch und knapp 20cm breit) einer Spaltenkreuzspinne, Nuctenea umbratica, entdeckt und in der Nacht eine Foto-Serie erstellt, um daraus einen Video zu erstellen und nachzuverfolgen, wie sie ihr Netz ab und wieder neu baut. Dabei hat sich ergeben, dass sie den ovalen Rahmen fast vollständig erhalten hat und bereits während des Abbaus der Segmente den jeweils mitentfernten Radialfaden  gleich ersetzt hat. Das hatte ich so noch nicht gesehen. Auf- und Abbau waren also nicht zwei getrennte Phasen sondern gingen ineinander über. Nach dem Entfernen des letzten Segments waren die Radialfäden komplett neu ersetzt und sie ist gleich dazu übergegangen, erst die Hilfs- und dann die Fangspirale zu erstellen.
Ich nehme an, dass der Grund der war, dass ansonsten der Rahmen sich verzogen oder gar in sich zusammengefallen wäre. Dieser ist über ein unglaublich reichhaltiges Geflecht mit mehreren unterschiedlichen Schlupfwinkeln verbunden. Deswegen wollte sie ihn wahrscheinlich erhalten.
Diese Verwobenheit mit der Umgebung phasziniert mich. Das Radnetz selbst ist eigentlich nur das Zentrum eines weit verzweigten Geflechts. Welche Dimensionen kann das annehmen? Und ist diese Vorgehensweise beim neuen Anlegen des Radnetzes bei Spaltenkreuzspinnen öfters zu beobachten oder eher eine Ausnahme?
Andreas

Andreas Penselin:
Hallo,
Hier ist noch der Link zu dem Video.

https://www.youtube.com/watch?v=RVq4_hZ9AbU

Ich musste die Einzelbilder so bearbeiten, dass alles recht unscharf und körnig geworden ist. Aber nur so waren am meisten der angeleuchteten Fäden sichtbar zu machen.

Inzwischen hat die Spaltenkreuzspinne das Netz noch zwei weitere Male erneuert, vergrößert und die Spiralen auch durch engere Abstände erweitert/ verfeinert. Ich denke inzwischen, dass sie ihren Schlupfwinkel einfach verlegt hat. Sie hat sich früher immer in einen Stahlträger zurückgezogen. Aber dessen Eingangsloch ist wahrscheinlich zu eng geworden. Jetzt zieht sie sich immer in einen engen Spalt zwischen dem Stahlträger und der Strebe eines darauf befestigten Holzgitters für eine Clematis. Ich konnte beobachten, wie sie auch entferntere Regionen daran erkundet und einspinnt. Das wirkt auf mich wie Fühler, die sie in die Umgebung ausstreckt.

Der Bau des Radnetzes durchläuft nach meinem Eindruck folgende Phasen:

1. Sie spult nicht nebeneinanderliegende Sektoren auf und frisst diese, sondern in etwa dem Ablauf folgend, in dem sie auch bei einer ganz freien Neukonstruktion die Radialspeichen anlegen würde. Auf manchen Einzelfotos sieht man an der Struktur der Fäden recht deutlich, dass sie die alten löst und aufspult, während sie mit den hinteren Beinen den neuen Radialfaden (der viel dünner und straffer gespannt, aber dadurch auch schwerer erkennbar ist) anlegt. Wegen dieser Reihenfolge und weil nicht das ganze Netz fotografiert werden konnte, ist sie immer für eine Weile verschwunden (habe ich teilweise aus dem Video geschnitten, wenn nichts passierte….)
2. Danach macht sie nur noch ein paar Abschlussarbeiten an der Rahmenkonstruktion und legt nur noch 2 oder 3 Radialfäden an.
3. Sie legt die Hilfsspirale von innen nach außen im Uhrzeigersinn an.
4. Nochmals zwischengeschaltete kurze Rahmenarbeiten – wahrscheinlich um die Hilfsspirale in Spannung und genauer Lage zu verfeinern.
5. Anlegen der Fangspirale, bei der sie aber öfters mal die Richtung wechselt. Vom Grundprinzip her erfolgen diese Arbeiten aber von außen nach innen und entgegen des Uhrzeigersinns.
6. Noch ein kurzes Nacharbeiten in der Nabe und dann zieht sie sich in ihren Schlupfwinkel zurück.

Andreas

Jutta Asamoah:
Hallo Andreas,

vielen Dank für den Link zum Video und deine Ausführungen im Forum.

Wie genial ist diese strategische Verknüpfung von Ab- und Aufbau des Netzes!

Ein paar Fragen stellen sich mir:

-Wie lange hat der komplette Prozess gedauert? Du schreibst, dass es in der Nacht geschah, also einige Stunden?
-Kannst du etwas zur Verdauung der alten Spinnseide sagen? Das macht die Spinne doch vermutlich um die Proteinbestandteile wieder
 zur Verfügung zu haben.
- Konntest du auch beobachten in welchen Abständen das Netz erneuert werden muss? Nur nach Beschädigung oder auch, weil eventuell die Klebekraft der Seide nachlässt?

LG
Jutta

Andreas Penselin:
Hallo Jutta,

vielen Dank für deine Antwort. Ja, ich bewundere mit tiefem Respekt, was diese Tiere zustande bringen.

Zu deinen Fragen:

-   Die Aufnahmedaten des ersten und des letzten Fotos liegen zweieinhalb Stunden auseinander. Die Spaltenkreuzspinne ist tagsüber immer in ihrem Schlupfwinkel und kommt erst, wenn es dunkel wird, in ihr Netz.

-   Mit der Verdauung der Spinnen kenne ich mich nicht aus, aber die Rückgewinnung der Proteine leuchtet mir sehr ein. Da weißt du sicher mehr drüber als ich.

-   Ich beobachte diese Spinne jetzt seit 3 Tagen. Bisher hat sie jede Nacht ein neues Netz gebaut. Es fliegt hier so viel durch die Luft, was in dem Netz hängenbleibt, dass es nach einem Tag ziemlich mitgenommen aussieht. Und ich habe den Eindruck, dass dieses ständige Neubauen auch eine Form der Weiterentwicklung ist. Das Netz wächst gewissermaßen mit der Spinne selbst und wird immer weiter ausdifferenziert. Das alles spielt sich auf meinem Balkon ab. Deswegen möchte ich das noch – sozusagen als Einzelfallstudie
– weiterverfolgen. Das Netz ließe sich noch in die Höhe vergrößern, aber nicht mehr in die Breite. Deswegen bin ich gespannt, wie sie weiter vorgeht: Nur die Höhe vergrößern oder umziehen?

LG
Andreas

Andreas Penselin:
Ich habe gerade beschlossen, so eine Art Spinnen-Tagebuch zu beginnen und hier einzustellen.
Die Spaltenkreuzspinne hat sich in dieser Nacht nämlich wieder etwas besonderes einfallen lassen. Ich bin total gespannt, wie sie das weiterentwickelt und möchte das unbedingt auch festgehalten haben. Ich habe auch wieder einen Video erstellt, den ich gleich noch bei YouTube einstelle. Die Qualität der Einzelbilder ist diesmal etwas weniger mies, aber das, worum es mir vor allem geht, sieht man nicht.

Ich glaube, dass die Spinne tagsüber sich alles im Netz verfangen lässt ohne darauf zu reagieren, wenn es nicht eine gewisse Größe überschreitet. In der Dämmerung fängt sie dann an, im Netz „aufzuräumen“. Sie schmeißt unbrauchbares heraus, winzige Insekten verspeist sie an Ort und Stelle und ab einer gewissen Größe spinnt sie die Beute ein und transportiert sie ab. Da alledem entstehen bereits erhebliche Löcher im Netz.

Erst später in der Nacht fängt sie dann an, die noch übrigen Netzbestandteile abzubauen und gleichzeitig Radialsfäden einzusetzen. Das sieht man auf dem neuen Video an einer Stelle (im Radnetz links unten) ganz gut, wie sie die alten Fäden zu einem weißen Knäuel aufspult und gleichzeitig mit einem der Hinterbeine den neu gesponnenen Radialdaden hält und führt. Das ist wirklich artistisch und dennoch mit einer traumwandlerischen räumlichen Orientierung.

Bisher hatte sie die Nabe mit einem Signalfaden direkt nach rechts oben in ihren Schlupfwinkel geleitet. Das Holzgitter der Clematis bildet mit der linken Seitenfläche des Stahlträgers dahinter einen rechten Winkel – eine Art Schutzzone. In die offene Diagonale hatte die Spinne immer ihr Radnetz gesponnen. Und jener Signalfaden ging aus der Nabe schräge nach oben in den Schlupfwinkel – den Spalt zwischen der Front des Stahlträgers und dem darauf gebundenen Holzgitter.

In der vergangenen Nacht hat sie nun die untere Hälfte des Netztes wie sonst auch in dieser Diagonalen gespannt. Aber den rechten Bereich oberhalb der Nabe hat sie quase nach vorne gekippt und nach oben durch den Signalfaden begrenzt an diesem entlang gesponnen. Die rechte Netzhälfte ist also quasi in die Tiefe des Raumes gewunden. Dadurch bekommt das ganze Netz eine erhebliche dreidimensionale Struktur und ich frage mich, ob die Spinne damit anfängt, das Netzt nach vorne zum Holzgitter hin umzuverlagern. Dazu müsst sie aber auch noch an den Holzstreben auf die vorderen Seiten wechseln……. ???

Ich lasse sie heute in Ruhe und störe sich nicht mit Licht zum Fotoggrafieren. Aber ich bin total gespannt, was ich dann morgen für ein Radnetz zu sehen bekomme.

Andreas

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