Autor Thema: Xysticus cristatus-audax die erste  (Gelesen 30416 mal)

Guido Gabriel

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Re: Xysticus cristatus-audax die erste
« Antwort #60 am: 2015-03-11 20:46:36 »
Ach so, bleibt die Fragel, ob es bei so häufigen Arten wirklich erforderlich jedes Tier unbedingt zu bestimmen, wenn man 99 % sichere Tiere hat, kann ich auf ein Prozent, welches fragwürdig ist auch gern verzichten.

Ich habe heute 10 Männchen von X. cristatus und 10 Männchen von X. audax aus meiner Xsammlung von verschiedenen Standorten überprüft. Ich habe diese definitiv zuvor nicht nach der Embolus-Spitze bestimmt, habe aber heute explizit darauf geachtet und bin bei allen Tieren wieder auf das gleiche Ergebnis gekommen, wie zuvor.

LG Guido

Rainer Breitling

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Re: Xysticus cristatus-audax die erste
« Antwort #61 am: 2015-03-11 21:12:57 »
Ich habe heute 10 Männchen von X. cristatus und 10 Männchen von X. audax aus meiner Xsammlung von verschiedenen Standorten überprüft. Ich habe diese definitiv zuvor nicht nach der Embolus-Spitze bestimmt,...
Welche Merkmale hast Du dann benutzt? Färbung oder Pedipalpus-Apophysen? Und in beiden Fällen, was sind nach Deinem Material die entscheidenden Hinweise auf audax vs. cristatus?
Beste Grüße,
Rainer

Joost Vogels

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Re: Xysticus cristatus-audax die erste
« Antwort #62 am: 2015-03-11 23:00:49 »
I make the distiction based on the description in Spiders of europe website:

Male palp with 2 apophyses: one median, hammer-shaped, whereas the branches are unequally long and tapering. => X. cristatus

Male palp with basal part of T-shaped bulbal apophysis ± as long as wide. => X. audax

I also think that the shape of the T-shaped apophysis differs between the two:

Branches curved at the tip: =>X. cristatus
Branches pointed; T shaped apophysis shaped like a pick-axe: X. audax


Rainer Breitling

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Re: Xysticus cristatus-audax die erste
« Antwort #63 am: 2015-03-12 07:02:27 »
Hi Joost,
The shape of the T was also what I used, until this discussion started and I saw how controversial this character has been in the literature. Although not remotely as controversial as the epigynal shape...
Best wishes,
Rainer
PS: I have added a figure from Palmgren's paper, showing the variation of the T-shaped apophysis in the two species, which started the discussion in the literature (he treated them all as one species as a result, until he found the embolus differences). According to him, intermediate forms of the apophysis are not rare, but rather the majority.

Martin Lemke

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Re: Xysticus cristatus-audax die erste
« Antwort #64 am: 2015-03-12 07:12:56 »
Ach so, bleibt die Frage, ob es bei so häufigen Arten wirklich erforderlich jedes Tier unbedingt zu bestimmen

Das muss jeder für sich selbst entscheiden, bzw. nach Aufgabenstellung abwägen. Für meine bisherigen Nachweise zeigt die Diskussion eine wahrscheinlich hohe Fehlbestimmungsrate an. Für die Nachweise als solche ist das qualitativ nicht so schlimm, da im untersuchten Gebiet beide Arten vorkommen. Für aus den angesammelten Funddaten zu extrahierende statistische Angaben (Biotoppräferenzen, Reifezeit ...) wirkt sich eine hohe Fehlbestimmungsquote sehr ungünstig aus. Das heißt, diese Daten sind darum praktisch unbrauchbar.

Martin
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Arno Grabolle

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Re: Xysticus cristatus-audax die erste
« Antwort #65 am: 2015-03-12 09:59:30 »
Hallo (ich bin wieder da),

ich bin etwas geplättet von der Diskussion hier, weiß aber auch keinen Ausweg. Ich kann nur sagen, dass ich es genau wie Tobias sehe: Man kann die beiden Formen ausgezeichnet und sicher nach ihrer Färbung und Zeichnung – v.a. in Kombination mit dem Lebensraum – trennen. Eine sehr detaillierte Beschreibung der Unterschiede hatte Tobias weiter vorne gegeben, die ich 100%ig unterstütze.

Ich habe meine Tiere auch immer genital geprüft, aber in die Zeichnungen bei UniBern lässt sich alles mögliche hineininterpretieren. Daher ist das wohl eher nicht belastbar.

Ich würde die beiden Formen für gute Arten halten. Mir ist noch nie ein Exemplar untergekommen, bei dem ich mich nicht hätte entscheiden können, welches ich für eine Mischform oder eine Zwischenform gehalten hätte (ich sehe die Tiere aber ausschließlich lebend beim einsammeln oder frische Alkoholleichen). Warum sie genital so ähnlich sind, kann ich nicht sagen. Die Unsicherheit in den genetischen Merkmalen könnte ein Artefakt der unsicheren genitalen und habituellen Bestimmung sein.

Wenn die Arttrennung so strittig ist und es sich zudem um so häufige Arten handelt, könnte man dann nicht in ein-zwei Monaten mit reifen Tieren Paarungsversuche machen?

Arno

Tobias

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Re: Xysticus cristatus-audax die erste
« Antwort #66 am: 2015-03-12 17:58:24 »
Wenn die Arttrennung so strittig ist und es sich zudem um so häufige Arten handelt, könnte man dann nicht in ein-zwei Monaten mit reifen Tieren Paarungsversuche machen?

Ich hatte mich das auch gefragt. V.a., warum das noch keiner gemacht hat :-).

Tobias

sylvia #1

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Re: Xysticus cristatus-audax die erste
« Antwort #67 am: 2015-03-12 21:30:58 »
Und ich frage mich weiterhin, warum bei den Betrachtungen hier X.kochi  immernoch aussen vor bleibt. Zumal eben ja gerade kochi und cristatus habituell nicht zu trennen sind...
LG
Sylvia

Guido Gabriel

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Re: Xysticus cristatus-audax die erste
« Antwort #68 am: 2015-03-12 22:10:33 »
Ich habe jetzt mal ein vergleichendes Foto vom Pedipalpus von X. cristatus und X. audax angehängt.
Und da gibt es im Pedipalpus ein recht markantes Zähnchen, welches ich bei beiden Arten markiert habe.

Bei Xysticus cristatus ist dieses Zähnchen klein und eher unscheinbar und davon abgesehen in eine andere Richtung gebogen, als bei Xysticus audax, wo dieses Zähnchen viel größer und auffallender ist (und eben in eine andere Richtung gebogen als bei X. cristatus).

Das war für mich bislang immer der ausschlaggebende Unterschied zwischen den beiden Männchen und die Kontrolle der Embolusspitzen hat dies bei allen meinen Exemplaren bestätigt.

Ich glaube das Zähnchen ist aber nirgends publiziert, das ist mir explizit aufgefallen und diente für mich hervorragend als Unterscheidungsmerkmal.

Und ich weiß nicht so recht, bei den Weibchen hatte ich selbst noch kein wirklich fragwürdiges Exemplar.

LG Guido

Guido Gabriel

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Re: Xysticus cristatus-audax die erste
« Antwort #69 am: 2015-03-12 22:15:05 »
Und ich frage mich weiterhin, warum bei den Betrachtungen hier X.kochi  immernoch aussen vor bleibt. Zumal eben ja gerade kochi und cristatus habituell nicht zu trennen sind...
LG
Sylvia

Also die Männchen von X. kochi sind außen vor, die kann man nicht verwechseln, also nicht anhand des Pedipalpus.

Und die Epigyne weicht ja noch viel mehr von der von X. audax ab, als es die epigyne von X. cristatus tut.

Wie gesagt, eigentlich wundert mich diese Diskussion - selbst wenn es mal einpaar fragwürdige Exemplare gibt. Die meisten sind meines Erachtens eindeutig.

LG Guido

Arno Grabolle

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Re: Xysticus cristatus-audax die erste
« Antwort #70 am: 2015-03-12 22:18:26 »
@Guido: ja, dieser mittlere Zahn ist mir auch schon aufgefallen (die Unterschiede bei audax und cristatus). Ich hatte aber noch nicht genügend oft Material der beiden Arten unterm Bino, um daraus eine Regel abzuleiten.

Arno

Rainer Breitling

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Re: Xysticus cristatus-audax die erste
« Antwort #71 am: 2015-03-13 01:18:40 »
Der Zahn wird auch von Almquist und von Azarkina & Logunov als zuverlässiges Merkmal angeführt, und auch Roberts erwähnt ihn als eines der besten Kriterien zur Unterscheidung der Arten. Der scheint also recht robust zu sein, zumindest viel weniger umstritten als die Form der T-Apophyse oder gar die Färbung oder Epigynenmerkmale.

@Arno: willkommen zurück. Wie siehst Du denn die Identifizierung der Bilder vom Barcoding-Projekt, die Martin eingestellt hat? Tobias hat ein paar klare audax und cristatus-Exemplare vorgeschlagen; siehst Du die genauso, oder gibt es noch sichere Kandidaten zu ergänzen/zu streichen?

Paarungsversuche wollte ich auch schon vorschlagen. Wäre super, wenn das jemand probieren wollte. Die Vorbereitungen müssten bald starten, denn die Weibchen müssten ja subadult gesammelt werden... Zusätzlich wären natürlich auch frisch gesammelte und korrekt bestimmte Männchen für's Barcoding sehr von Interesse (ich bin sicher, Martin könnte da den Kontakt vermitteln).

Beste Grüße,
Rainer

Martin Lemke

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Re: Xysticus cristatus-audax die erste
« Antwort #72 am: 2015-03-13 06:53:48 »
Man kann die beiden Formen ausgezeichnet und sicher nach ihrer Färbung und Zeichnung – v.a. in Kombination mit dem Lebensraum – trennen.

Eine Trennung nach Lebensraum finde ich grundsätzlich heikel. Gerade bei schwer zu trennenden Arten; warum, schrieb ich oben.

Zitat
Eine sehr detaillierte Beschreibung der Unterschiede hatte Tobias weiter vorne gegeben, die ich 100%ig unterstütze.

Diese Beschreibung fehlt mir noch immer. Kann mir bitte jemand einen Link direkt auf das Posting setzen?

Ich habe jetzt mal ein vergleichendes Foto vom Pedipalpus von X. cristatus und X. audax angehängt.

Diesen Zahn hatte ich bisher gar nicht beachtet. Da sehen wir mal, wie wichtig es ist, dass wir im Wiki auf die bestimmunsgrelevanten Details explizit hinweisen.

Und ich frage mich weiterhin, warum bei den Betrachtungen hier X.kochi  immernoch aussen vor bleibt.

Ich sehe es wie Guido; nämlich dass man X. kochi genital gut bestimmen kann. Da gibt es auch genetisch keine Probleme.

Martin


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Jonathan Neumann

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Re: Xysticus cristatus-audax die erste
« Antwort #73 am: 2015-03-13 07:55:55 »
Guten Morgen Martin,

wenn ich das richtig verfolgt habe, ist der hier gemeint:
http://forum.spinnen-forum.de/index.php?topic=19085.msg117863#msg117863

LG,
Jonathan
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Re: Xysticus cristatus-audax die erste
« Antwort #74 am: 2015-03-13 09:28:06 »
Ich verwende aktuell auch das gleiche Zähnchen zur Bestimmung wie Guido. Die Form der Hammer-Apophyse war für mich schon immer ein extrem unsicheres Merkmal. Da findet man alle möglichen Varianten, die oft nicht eindeutig zuweisbar sind. Mal ganz abgesehen von der schwammigen Definition: Die Breite mag ja noch gut ermittelbar sein, aber wo genau fängt die Apophyse an, so dass man die Höhe mit der erforderlichen Genauigkeit ermitteln könnte?

Bei den Weibchen hat wohl jeder die gleichen Schwierigkeiten. Die Zeichnung war dann meistens das entscheidende Merkmal. Aber das kann natürlich auch falsch sein, wenn die Zeichnungen nur verschiedene Farbformen der gleichen Art sollten und eben nicht charakteristisch für die jeweilige Art.

Arno Grabolle

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Re: Xysticus cristatus-audax die erste
« Antwort #75 am: 2015-03-13 11:00:32 »
@Martin: ja, der von Jonathan verlinkte Post ist es – etwa in der Hälfte des Textes, jeweils hinter den verlinkten Bildern. Ich würde das erst mal mit Vorbehalt ins Wiki übernehmen – und tatsächlich, wie du vorgeschlagen hast, auf eine extra Seite „cristatus vs. audax“.

Zur Abgrenzung durch Habitat folgende Anekdote: Die meisten kennen meine bevorzugte Sammelmethode: Lausen / Steine umdrehen mit der Hand am Boden. Auch Rinde von Baumstämmen abpulen mache ich gerne. Erst sehr spät, vor einigen Jahren begann ich zu klopfen und zu keschern.
X. cristatus kenne ich seit meiner frühen Jugend. Den habe ich neben anderen X.-Arten oft gefunden. X. audax dagegen habe ich wirklich zum ersten mal  in meinem Leben gefunden, als ich Laken unter Kiefern auslegte und die Äste abklopfte. Und das war vor einigen Jahren – den entsprechenden Post könnte man hier im Forum finden.
Es ist zwar nur eine Anekdote, für mich zeigt sie aber eindrücklich, wie getrennt die beiden Arten nach ihrem Habitat sind. Beide Arten sind nicht selten und Stellenweise sehr abundant (v.a. audax).

@Rainer: Warum müsste man sie subadult sammeln?

Ich kann das mit den Kreuzungsversuchen aus zeitlichen Gründen dieses Jahr nicht übernehmen. Ich könnte allerdings evtl. auf einem Spaziergang hier in der Umgebung einen Klopfschirm mitnehmen und ein paar Exemplare sammeln. Vielleicht ist es gut, wenn die Versuchstiere nicht unbedingt aus dem gleichen Wiesen-Waldstück stammen, sondern aus verschiedenen Ecken der Republik (Rainer?).

Bei der ganzen Diskussion sollten wir auch nicht vergessen, dass es in anderen Teilen Europas noch einige weitere Arten aus der cristatus-Gruppe gibt. Eigentlich geht es nicht nur um zwei Arten (man kann sich ja mal den Schlüssel der UniBern durchscrollen.

Ich denke, audax und cristatus sind nur so schwer zu unterscheiden, wenn man ausschließlich nach Genitalien bestimmt (das ist bei den Ost- und Südeuropäischen Verwandten nicht so). Habituell sind die beiden Formen/Arten deutlich unterschiedlich – deutlicher als z.B. cristatus und kochi. Hier scheint der Lebensraum den entscheidenden Einfluss zu haben (cristatus und kochi im Gars / audax in Kiefern). Ein weiteres Indiz für die Habitat-Trennungs-Hypothese.

@Rainer: ich schau mir das mal an ...

Arno

Arno Grabolle

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Re: Xysticus cristatus-audax die erste
« Antwort #76 am: 2015-03-13 11:10:40 »
Die bei denen ich mir ziemlich bis relativ sicher bin. Bei den Männchen ist es im allgemeinen schwierig. Und man sieht, wie Tobias schon sagte, immer nur einen kleinen Ausschnitt und im Alkohol sieht alles ähnlicher aus ...

X. audax:










X. cristatus:






Arno

Rainer Breitling

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Re: Xysticus cristatus-audax die erste
« Antwort #77 am: 2015-03-13 11:25:28 »
@Rainer: Warum müsste man sie subadult sammeln?
Um sicher zu sein, dass die Weibchen nicht schon verpaart waren. Man würde ja nicht nur sehen wollen, ob sie bereit sind, sich mit dem jeweils artfremden Männchen einzulassen, sondern ob es auch zu lebensfähigem (fortpflanzungfähigem?) Nachwuchs kommt.

Zitat
Vielleicht ist es gut, wenn die Versuchstiere nicht unbedingt aus dem gleichen Wiesen-Waldstück stammen, sondern aus verschiedenen Ecken der Republik (Rainer?).
Solange die Exemplare (Männchen und Weibchen) einwandfrei bestimmt sind, sollte das nicht viel ausmachen. Vielleicht ist es sogar besser, wenn sie aus der gleichen Ecke stammen, weil man sich dann bezüglich der Lebensraumtrennung sicher sein kann.

Beste Grüsse,
Rainer

Arno Grabolle

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Re: Xysticus cristatus-audax die erste
« Antwort #78 am: 2015-03-13 11:32:51 »
Um sicher zu sein, dass die Weibchen nicht schon verpaart waren.

Ach ja, das hatte ich nicht bedacht ...

Das mit der Bestimmung ist immer so ein Problem: Das geht ja nur so richtig, wenn die Tiere tot sind. Aber dann paaren sie sich nicht mehr.

Man müsste sich mal eine Versuchsanordnung / -ablauf überlegen, der trotz dieses Problems zielführend ist.

Arno

Martin Lemke

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Re: Xysticus cristatus-audax die erste
« Antwort #79 am: 2015-03-13 11:35:12 »
@Martin: ja, der von Jonathan verlinkte Post ist es

Dann ist es keine Beschreibung, wie ich sie mir wünsche.

Ist es so gemeint?

X. audax
Sehr fleckig, wenige Sandtöne, mehr braun, sehr kontrastreich. Folium mit dunklen Flecken am Rand, die in die Zwischenräume einfließen. Habitat: meist auf Zweigen, gerne niedrigere Koniferen, Ginster etc. und auch an warmen Waldlichtungen auf Baumstümpfen. Die finde ich die oft zusammen mit X. lanio. Im Winter überwintern die Art auch oft im Laubstreu, vlt. kommt daher auch die Angabe in der SpiE.

X. cristatus
Viele Sand- und lehmfarbene Elemente, Folium tannenbaumförmig, ohne größere dunkle Fleckung am Rand. Habitat: Boden, zwischen Gras (im Grünland) unter Steinen, an Wegrändern. Tendenziell nicht ganz trocken. Gerne auch an ruderale Hochstaudenfluren (z.B. an Bahnhöfen), oft auch zusammen mit X. kochi direkt nebeneinander. Bei uns auf den Fildern sitzt die in jeder Wiese zusammen mit X. kochi. Mal ist die eine häufiger, mal die andere. Letztere mag es eher trocken hier.

(copy & paste aus Tobias' Posting)

Martin
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Rainer Breitling

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Re: Xysticus cristatus-audax die erste
« Antwort #80 am: 2015-03-13 16:02:52 »
Martin hat mir die Originaldaten von GBOL zu den Barcodes vermittelt (nur die mit ZFMK-Code). Dort zeigt sich, dass die Exemplare von audax und cristatus mit Sicherheit alle zu einer Art gehören.

1. Als erstes habe ich mich auf die 8 Exemplare konzentriert, die Arno als "iemlich bis relativ sicher" eingeordnet hatte, je vier von jeder Form. Beide Gruppen haben exakt den gleichen Konsensus-Barcode. Innerhalb der cristatus-Gruppe unterscheiden sich Individuen jeweils an 1 bis 3 Positionen, innerhalb der audax-Gruppe an 2 bis 8 Positionen (von insgesamt etwa 650). Bis auf ein Exemplar haben alle audax-artigen Tiere einen näheren Verwandten unter den cristatus-Tieren (mit 1 bis 2 Unterschieden). Der einzige Ausreisser ist das Tier 4970, das einzige Exemplar aus Österreich unter diesen acht; aber auch seine Unterschiede zum Rest der Tiere (5 bis 8 Abweichungen) sind recht begrenzt (etwa 1%).

2. Wenn man alle audax/cristatus-Tiere betrachtet, nicht nur die acht, die eine besonders deutliche Färbung zeigen, bleibt das Muster das gleiche. Die Tiere unterscheiden sich im Durchschnitt nur an 2 Positionen untereinander, zwischen 0 und 10 Unterschiede pro Vergleich, und ich finde keinen Hinweis auf irgendeine Struktur (Untergruppen). Sie kommen offensichtlich alle aus dem gleichen Genpool, obwohl die Exemplare aus "ganz" Deutschland stammen (Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen), und auch die österreichischen und niederländischen Tiere (aus der öffentlichen Datenbank) reihen sich da ein (das "audax"-Tier aus Kent ist dagegen ein X. kochii).

3. Zum Vergleich die innerartliche Variation von drei anderen Arten: X. kochii-Tiere in der Datenbank unterscheiden sich an 10 bis 24 Positionen voneinander, im Durchschnitt 16, also weitaus mehr als selbst die abweichendsten Exemplare in der audax/cristatus-Gruppe. X. ulmi-Tiere unterscheiden sich nicht ganz so dramatisch, an 2 bis 12 Positionen, im Durchschnitt 8. Auch hier ist die innerartliche Variation also deutlich höher als in der ganzen audax/cristatus-Gruppe. Bei X. lanio finden sich Unterschiede an 3 bis 4 Positionen.

4. Der paarweise Unterschied zwischen audax/cristatus und kochii ist im Durchschnitt 30 (24 bis 33), also bei weitem dramatischer als alles was man selbst bei den extremsten Fällen innerhalb der audax/cristatus-Gruppe findet. Der Unterschied zwischen X. kochii und X. gallicus beträgt im Durchschnitt ebenfalls 30 (26 bis 33).

5. Zum Vergleich habe ich auch noch einen ähnlichen Fall aus Kanada angeschaut. Xysticus labradorensis und X. deichmanni sind zwei weitverbreitete und sehr ähnliche Arten, die sich nur durch die Form der Embolusspitze unterscheiden. Hier kamen die Exemplare alle aus einem sehr begrenzten Gebiet. Innerhalb von X. labradorensis gab es keine Unterschiede, sie waren alle identisch; innerhalb von X. deichmanni unterschieden sich die Exemplare (von einem Fundort) an 0 bis 3 Positionen. Das ist vergleichbar mit der Variation innerhalb der audax/cristatus-Gruppe quer durch Deutschland. Untereinander unterscheiden sich die beiden Arten aber im Durchschnitt an 29 Positionen des Barcodes (27 bis 31).

Daraus ergeben sich zwei Fragen:
1. Kann es sein, dass sämtliche audax-Exemplare in der GBOL-Datenbank eigentlich X. cristatus sind? Das würde bedeuten, dass sich nicht nur die Bestimmer geirrt haben, sondern dass auch die Zeichnungsmerkmale (bei Alkoholmaterial?) nicht funktionieren, selbst nicht bei scheinbar ganz typischen Fällen.

2. Können diese Daten ein paar der Experten hier motivieren, ganz sicher bestimmte audax-Exemplare zum Barcoding nach Bonn zu schicken und damit die Hypothese zu widerlegen, dass es sich doch nur um eine Art in verschiedenen umweltbedingten Morphen handelt? Das funktionierte wahrscheinlich schneller, als ein Paarungsexperiment.

Beste Grüsse,
Rainer

Arno Grabolle

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Re: Xysticus cristatus-audax die erste
« Antwort #81 am: 2015-03-13 17:29:34 »
Sehr erschreckend, deine Ergebnisse ...

Wenn es eine Art mit großer Variabilität ist, würde das nicht bedeuten, dass aus einem Kokon beide Farb-Zeichnungsvarienaten schlüpfen, wie das z.B. bei Pisaura mirabilis oder bestimmten sehr variablen Araneiden der Fall ist (und immer nur die im jeweiligen Lebensraum überlebensfähige kommt durch)?

Arno

Rainer Breitling

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Re: Xysticus cristatus-audax die erste
« Antwort #82 am: 2015-03-13 17:44:25 »
Wenn es eine Art mit großer Variabilität ist, würde das nicht bedeuten, dass aus einem Kokon beide Farb-Zeichnungsvarienaten schlüpfen, wie das z.B. bei Pisaura mirabilis oder bestimmten sehr variablen Araneiden der Fall ist
Keine Ahnung :) Das wäre natürlich eine Möglichkeit. Oder eine Anpassung an die Umgebung, so wie bei anderen Thomisiden? Beides gefällt mir nicht so recht, weil es ja doch noch recht überzeugende Genitalmerkmale gibt. Da fände ich Fehlidentifikationen im grossen Stil wahrscheinlicher.
Beste Grüsse,
Rainer
PS: Im Anhang eine Zusammenstellung der Literaturangaben zur Unterscheidung der beiden Arten (noch ohne Illustrationen). Vielleicht hilfreich beim Erstellen der Wiki-Seite zum Thema.

sylvia #1

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Re: Xysticus cristatus-audax die erste
« Antwort #83 am: 2015-03-13 20:04:54 »

Zur Abgrenzung durch Habitat ... für mich zeigt sie aber eindrücklich, wie getrennt die beiden Arten nach ihrem Habitat sind. Beide Arten sind nicht selten und Stellenweise sehr abundant (v.a. audax)...

Ich denke, audax und cristatus sind nur so schwer zu unterscheiden, wenn man ausschließlich nach Genitalien bestimmt (das ist bei den Ost- und Südeuropäischen Verwandten nicht so). Habituell sind die beiden Formen/Arten deutlich unterschiedlich – deutlicher als z.B. cristatus und kochi. Hier scheint der Lebensraum den entscheidenden Einfluss zu haben (cristatus und kochi im Gars / audax in Kiefern). Ein weiteres Indiz für die Habitat-Trennungs-Hypothese...
Arno

Das war es, was ich meinte... Habitat, wie schon Tobias und Arno sagten, kenne ich bei uns auch nur so getrennt bei Xa (Kiefernaufwuchs an trockenen Waldrändern) und Xc (Gräser/Staudenfluren auf Wiesen), aber beide Arten sind in der Regel  vom Aussehen her gut unterscheidbar,
während die vom Aussehen her! kaum unterscheidbaren ( per Genitaluntersuchung schon ) Xc und Xk  im selben Habitat  vorkommen aber gelegentlich Xk auch an Kiefern!

Also  Unterschiede bestehen also wahrscheinlich da:

                  X. audax  versus   X.cristatus   versus    X.kochi  versus  X.audax

GenU                         nein                          ja                         ja

Habitat                        ja                           nein                       jein

Aussehen                     ja                           nein                       ja


oder habe ich da jetzt etwas falsch verstanden? (Ich hoffe das Formatierte bleibt so und verschiebt sich jetzt hier nicht)

LG
Sylvia         

Arno Grabolle

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Re: Xysticus cristatus-audax die erste
« Antwort #84 am: 2015-03-13 22:30:58 »
Richtig Sylvia, X. kochi und X. cristatus sehen sich zwar äußerlich sehr ähnlich (kochi ist etwas größer) und leben auch noch in ganz ähnlichen Habitaten, wobei X. cristatus die allgemeinere Art ist und auch an etwas schattigeren/feuchteren Stellen vorkommt, während X. kochi eine sonnen- und trockenheitsliebende Art ist.

X. audax und X. cristatus (wenn es denn zwei Arten sind) sehen äußerlich sehr verschieden aus, genital scheinen sie durch viele Übergangsformen kaum sicher zu trennen zu sein.

Arno

Martin Lemke

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Re: Xysticus cristatus-audax die erste
« Antwort #85 am: 2015-03-14 10:02:00 »
Lerneffekt! Bisher hatte ich immer angenommen, die genitale Unterscheidung der Arten sei die einzig verlässliche. Bei X. audax/cristatus scheint es dagegen umgekehrt zu sein.

Martin
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Rainer Breitling

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Re: Xysticus cristatus-audax die erste
« Antwort #86 am: 2015-03-14 10:58:01 »
Wobei man aber aufpassen muss, sich nicht auf einzelne Merkmale der Zeichnung zu verlassen, denn die scheinen alle regelmäßig zu versagen (Prosoma-Dreieck, Prosoma-Rand). Der Gesamteindruck scheint entscheidend.

Aber die GBOL-Fotos zeigen, wenn ich das richtig verstehe, typische audax-Färbung bei genetischen X. cristatus...

Hat übrigens jemand die audax-Abbildungen bei Sauer & Wunderlich oder Bellmann (Kosmos-Atlas) angeschaut? Wie passen die ins Bild?

Beste Grüße,
Rainer

Michael Hohner

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Re: Xysticus cristatus-audax die erste
« Antwort #87 am: 2015-03-14 12:09:28 »
Die beiden X. c. und X. a., die Bellmann in der 2. Auflage zeigt, hätte ich X. c./X. k. zugeordnet, aber nicht X. a.

Arno Grabolle

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Re: Xysticus cristatus-audax die erste
« Antwort #88 am: 2015-03-14 12:56:11 »
Ein möglicher Erklärungsversuch wäre: X. cristatus ist variabel und bringt Exemplare hervor, die X. audax ähneln. X. audax dagegen ist recht konstant. Die dadurch entstehenden Verwechslungen haben zur Verwirrung der Gen-Daten geführt, wodurch wir jetzt kein eindeutiges Bild bekommen.

Den X. cristatus im Bellmann halte ich für unstrittig. Der X. audax sieht tatsächlich merkwürdig aus. Das wäre mal ein Dazwischen-Kandidat. Die Färbung spricht für audax, die doch recht ordentliche Zeichnung für cristatus. Es ist aber auch kein nachgedunkeltes cristatus-Weibchen, die sind grauer. Also doch ein audax mit etwas anderer Zeichnung?

Arno

Michael Hohner

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Re: Xysticus cristatus-audax die erste
« Antwort #89 am: 2015-03-14 16:02:28 »
Was wirklich interessant wäre, wäre ein Barcoding mit einem anderen DNA-Abschnitt. Wenn der dann deutlich getrennte Gruppen zeigen würde, und die jeweils etwa deckungsgleich mit den morphologischen Bestimmungen wären, dann wäre das Problem das erste Barcoding.