Autor Thema: Rhodos Oktober 2021  (Gelesen 1710 mal)

Siegfried Huber

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Rhodos Oktober 2021
« am: 2022-01-29 19:30:44 »
Hallo wieder mal..
nach Corona ist vor Corona ist nach Corona usw. wie uns schon Altvater Seppl Herberger nahe brachte - auch wenn dessen weithin bekannten Fußball-Grundsätze heute mitunter überholt sein mögen. Jedenfalls eröffnete sich im Oktober 2022 ein hoffnungsvolles Fenster im allgemeinen Infektionsdunst, das ich kurzentschlossen zu einem Trip auf die Insel Rhodos nutzen konnte (mea culpa CO2-Fußabdruck). Mein Bericht kann durchaus als Fortsetzung zu dem von Jonathan betrachtet werden, der geneigte Leser darf Vergleiche ziehen unter:
https://forum.arages.de/index.php?topic=22506.msg137527#msg137527
(ich habe ebendort auch einen link hierher hinterlegt)
In medias res: Nach einem ausgesprochen heißen und trockenen Sommer war arachnologisch nicht viel zu erwarten. Das hat sich leider auch bewahrheitet. Jedenfalls was araneomorphe Spinnen angeht so sah es einigermaßen ärmlich aus - es war nur wenig Getier unterwegs! Das hat aber den Vorteil, daß man sich auch über Kleinigkeiten freuen kann.
(Fotos folgen demnächst)

Siegfried Huber

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Re: Rhodos Oktober 2021
« Antwort #1 am: 2022-01-29 19:49:42 »
Eine der am meisten von Touristen vereinnahmte Station ist Lindos (#01). Meine Unterkunft war unweit davon, ein kurzer Ausflug dorthin wirkte allerdings ob der Menschenmassen vor Ort recht abschreckend, und so habe ich die nähere Umgebung abgesucht.

Mesobuthus gibbosus (heutzutage Aegaeobuthus, daran muß man sich erst gewöhnen) war überall anzutreffen (#02), wie bereits von Jonathan berichtet. Die Rhodos-Population soll sich (nach Gantenbein & Largiadèr 2002, Gantenbein & Keightley 2004) aus einem vormals autochtonen pool durch Einschleppung vom Festland neu etabliert haben. Genetik sei Dank!

Pflicht für Rhodos-Fahrer ist der Besuch des Schmetterlingstales, wo sich im Sommer (also falsche Jahreszeit!) tausende der 'Russischen Bären' (neuerdings 'Spanische Fahne' genannt) zur Übersommerung versammeln. Sehr touristisch, aber kostet im Herbst keinen Eintritt, dafür gibts keine Falter. Aber ein schöner Spaziergang in wohltuendem Wald-Klima. Auf dem Schild (#03) ist zu sehen, was alles verboten sein soll: mit Stöckchen kitzeln oder mit Wasser bespritzen ist also verpönt (wer auch immer auf solche Ideen kommen mag) - aber das Symbol oben rechts blieb schleierhaft: darf man nicht unter einem schmetterlingsbesetzten Baum durch laufen? oder was könnte gemeint sein? Tipps welcome! Ergänzung: im Laufe der Reise konnte ich dennoch gelegentlich Einzeltiere von Euplagia (Callimorpha) quadripunctaria sichten..

Eigentlich erwartet man in solch trockenen Gegenden überall und zuhauf Schwarzkäfer in allen Schattierungen, aber diese hier (#04) waren wirklich die einzigen, derer ich ansichtig wurde. Für mich verwunderlich. Wen's interessiert: Gattung Pachyscelis, vermutlich P.villosa.

Fortsetzung folgt..

Siegfried Huber

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Re: Rhodos Oktober 2021
« Antwort #2 am: 2022-01-29 20:13:42 »
um es vorweg zu nehmen: Mygalomorphae sind mehrjährig, und daher weniger saison-abhängig als ihre araneomorphe Verwandtschaft. Der interessanteste Fund also schon zu Beginn:

Die Bauten (#05 & #06) von Brachythele sind wirklich schwer zu finden. Zwei davon konnte ich ausgraben, beide mit kleinen Nymphen (#07), die normalerweise vom Muttertier betreut werden (#08). In einem Fall fehlte dieses allerdings, statt dessen fand ich die Puppe eines vermutlich dipteren Parasotoiden vor (#09), die verwaisten Nymphen schienen alle wohlauf..

Simeon Indzhov

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Re: Rhodos Oktober 2022
« Antwort #3 am: 2022-01-29 20:19:09 »
Ui, Brachythele! Ist es bekannt, welche Art dort vorkommt? Varrialei? Keine Männchen?
Simeon

Siegfried Huber

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Re: Rhodos Oktober 2021
« Antwort #4 am: 2022-01-29 20:24:20 »
Jetzt zur Abwechslung eine Schmetterlingsfolge, weil ja arachnologisch nicht sooo viel los war:

Raupen des Oleanderschwärmers Daphnis nerii waren stellenweise häufig und in allen Entwicklungsstufen an ihren Futterpflanzen (Oleander, wer hätte es gedacht) zu finden (#10).

Eutelia adulatrix (#11) ist aus Mitteleuropa nicht bekannt. Diese spezielle Familie (Euteliidae) fliegt eher in tropischen und subtropischen Gefilden (hier an der Hofbeleuchtung).

Ebenfalls am Licht der hübsche Spanner Problepsis ocellata (#012). Wem so ein Nachtflieger seine markanten Augen präsentieren mag?


Siegfried Huber

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@Simeon
« Antwort #5 am: 2022-01-29 20:26:46 »
nein - zur Art kann ich (noch) nichts sagen. Kann sein, dass Deine Vermutung zutrifft, vielleicht auch nicht. Zwecks Männchen-Aufzucht habe ich ein paar der winzigen Nymphen mitgenommen, aber das braucht Geduld und Glück..
Siegfried

Simeon Indzhov

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Re: @Simeon
« Antwort #6 am: 2022-01-29 20:39:56 »
nein - zur Art kann ich (noch) nichts sagen. Kann sein, dass Deine Vermutung zutrifft, vielleicht auch nicht. Zwecks Männchen-Aufzucht habe ich ein paar der winzigen Nymphen mitgenommen, aber das braucht Geduld und Glück..
Siegfried

Viel Erfolg mit der Zucht! Ich bin gespannt...

Siegfried Huber

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Re: Rhodos Oktober 2021
« Antwort #7 am: 2022-01-29 21:18:33 »
wieder unterwegs..

Gelegentlich findet man unter größeren Steinen Gespinste von Eresus cf walckenaeri (#13). Aber alle von mir untersuchten Nester waren entweder völlig leer oder von einigen wenigen, winzigen Nymphen besetzt. Eine Aufzucht erschien mir wenig aussichtsreich, daher habe ich sie sitzen lassen. Das einzige (vermutlich subadulte) Tier fand sich schließlich in einem Gespinst ca. 1m über dem Boden.

Ein anderer Vertreter der Eresidae ist Stegodyphus lineatus, dessen Luft-Fangreusen (#14) im Gebüsch angelegt werden: die Art war stellenweise häufig, allerdings nur in jungen Exemplaren.

#15 mehr oder weniger typische Übersichtsaufnahme des Hinterlandes um einen Stausee..

An der Straßenbeleuchtung hin und wieder diverse Ameisenjungfern (#16).

Siegfried Huber

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Re: Rhodos Oktober 2021
« Antwort #8 am: 2022-01-29 21:33:02 »
zu Abwechslung wieder ein nicht-arachnologische Folge:

Dieser Laufkäfer (Chlaenius vestitus, #17) war am Rande von Rinnsalen recht häufig. Ich war etwas überrascht, weil dieselbe Art auch bei uns in Deutschland vorkommt.

Der Hardun - eine Echse beachtlicher Größe (#18)! Leider sehr sehr scheu - man hört irgendwo ein Rascheln, dann ist sie schon weg!

Dieses Reptil bzw. seine Hinterlassenschaft lag fast unversehrt ich am Straßenrand (#19) - das Original (eine Eidechsennatter?) muß beeindruckend gewesen sein!

Auf Rhodos wird gerne und reichlich gejagt, was man an den vielen herumliegenden, leeren Patronenhülsen erkennt. Dasselbe auf Kreta und (vermutlich) ganz Griechenland. Ob die Hirsche (#20) hierfür eingeführt wurden, ist mir nicht bekannt.

Tausendfüßer waren ob der Trockenheit ähnlich rar wie Spinnen. Diese bunte Melaphe cf vestita (#21) fand ich in einer Ansammlung unter Müll, sonst nirgendwo. Auch Jonathan hatte sie abgelichtet, allerdings anders gefärbt?! 'Meine' orangen sind aber hübscher..

Siegfried Huber

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Re: Rhodos Oktober 2021
« Antwort #9 am: 2022-01-29 22:57:27 »
Ein Ausflug nach Rhodos-Stadt muß sein - wirklich! Die Altstadt ist sehenswert, aber halt leider ebendeshalb arg frequentiert! Der kundige Arachnologe verzieht sich lieber in die Gewölbe der antiken Kasematten (#22), von denen einige wenige tatsächlich zugänglich sind - aber wie lange noch?! Diese 'anthropogenen Höhlen' sind Jahrhunderte alt und durchziehen (besser: 'unterziehen') die gesamte Altstadt.

Zunächst ein Tausendfüßer (#23, Callipodida, Gattung Acanthopetalum). Eine schläfrige Fledermaus ließ sich nicht stören (#24).

Je weiter man vordringt, desto enger wird es natürlich, und auch desto schlammiger, denn von oben sickert Abwasser herein und bildet Pfützen. In diesen wenig angenehm riechenden Tümpeln leben zu tausenden die Larven von Schmetterlingsmücken (Psychodidae), und deren Imagines bilden (vermutlich) die Nahrungsgrundlage weiterer Bewohner, von denen ich einige präsentieren möchte.

An der Wand immer wieder Höhlenspinnen (Nesticidae, weiter weiß ich nicht: Weibchen #25 & Männchen #26), auch recht große Tegenarien (ohne Bild).

Und dann doch als Höhepunkt (und Ziel meiner Begehrlichkeit) Charinus ioanniticus (#27, jetzt Sarax ioanniticus, auch so ein Fall, an den man sich erst noch gewöhnen muß)! Den Palpenmaßen nach könnte es sich um ein Männchen handeln, und das wäre überraschend: die Inselpopulationen dieser Art gelten eigentlich als isolierte, rein weibliche, und sich parthenogenetisch fortpflanzende Gemeinschaften. Männchen sind wohl nur vom Festland (Türkei, Israel, Ägypten) berichtet. Dieses Vorkommen ist seit langem bekannt. In letzter Zeit wurden auch Verschleppungen nach Athen und die Halbinsel Istrien beschrieben.

Siegfried Huber

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Re: Rhodos Oktober 2021
« Antwort #10 am: 2022-01-29 23:35:07 »
.. wieder auf Ausflugsfahrt, diesmal an die Südwest-Küste (#28).

Immer wieder trifft man im Gelände auf Kadaver, hier eine Ziege (#29). Warum sie einfach liegengelassen werden, ist mir nicht bekannt. Auf Kreta waren es meist tote Hunde, hier eher Ziegen (siehe Bild) und Schafe.

Am Rande machen Dörfer werden Abwasserkanäle ausgeleitet. Es ist erstaunlich, in welchen Drecksgewässern sich Wasserschildkröten (#30) noch wohlfühlen, noch dazu in großer Anzahl!

Weberknechte waren rar. Hier einer aus (#31) einem alten Bergbaustollen.

Geregnet hat es während meines Urlaubs zwar nie, aber EINmal gab es so etwas wie 'dichten Nebel'. Selbigen Abends waren prompt Froschlurche unterwegs. Dies (#32) sollte eine Wechselkröte sein.

Siegfried Huber

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Re: Rhodos Oktober 2021
« Antwort #11 am: 2022-01-29 23:48:23 »
Beim nächtlichen Spaziergang plötzlich ein Soda-Skorpion (#33). Saß unvermutet einfach 'so da': Protoiurus rhodiensis. Näheres Hinsehen erbrachte auch aufsitzende Milben (#34), aber da bin ich Laie. Diese Skorpione zeigten sich im weiteren Verlauf als ausgesprochen scheu: schon der kleinste Lichtstrahl - schon sind sie in ihre Felsspalte abgetaucht.

Die Falltürspinne Cyrtocarenum cunicularium war ähnlich häufig wie auf Kreta. Allerdings scheinen mir die Rhodos-Tiere kleiner zu sein: ein Weibchen (#35) und etwas später, frisch gehäutet und noch im Bau ausharrend, das passende Männchen (#36).

Zuallerletzt die in heimatlich-westliche Richtung verschwindende Abendsonne (#37).

Frohes 2022: Siegfried

Martin Lemke

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Re: Rhodos Oktober 2022
« Antwort #12 am: 2022-01-30 01:39:59 »
Ein sehr schöner Bericht. Erst dachte ich, dass Du eine Reise planst, aber vermutlich hast Du Dich einfach in der Jahreszahl vertippt. Bis Oktober 2022 ist es schließlich noch ein paar Monate hin.  ::)

Immer wieder trifft man im Gelände auf Kadaver, hier eine Ziege (#29). Warum sie einfach liegengelassen werden, ist mir nicht bekannt.

Da ich noch nie in Griechenland war, kann ich das nicht beantworten. Nur grundsätzlich schwächt das Wegräumen von Kadavern die Artenvielfalt (Stichwort Aasfresser – insbesondere auch unter Insekten). Ich weiß nicht, ob dem in Griechenland Rechnung getragen wird. Aber grundsätzlich ist es auch in DE wünschenswert, Aas liegenzulassen, was leider kaum geschieht. Man muss davon ausgehen, dass das Beseitigen von Kadavern ähnlich schädlich ist, wie das Wegräumen von Totholz.

VG
Martin
Profil bei Researchgate.net – Spinnen-News aus SH

DAS waren noch Zeiten: Norwegen 2011.

Jonathan Neumann

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Re: Rhodos Oktober 2022
« Antwort #13 am: 2022-01-30 11:35:59 »
(mea culpa CO2-Fußabdruck).

kufthansa macht doch x-tausend leerflüge um ihre start und landerechte zu behalten...

klasse bericht, danke! ich vermute, dass der Spanner mit den Augenflecken eher Vogelkot-Mimese betreibt?

lg jonathan
CHAENA MONNA MOKOPUNG aus Afihla Majantja Vol 3.

Tinto von Matsieng, eines meiner Lieblingslieder

Siegfried Huber

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Re: Rhodos Oktober 2021
« Antwort #14 am: 2022-01-30 11:39:21 »
Sorry - das Jahr war falsch, ist korrigiert!
Da war wohl die Hoffnung Vater des Gedankens...
Siegfried