Autor Thema: Bestimmungssystem  (Gelesen 6965 mal)

Arno Grabolle

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Bestimmungssystem
« am: 2010-04-24 14:07:11 »
Martins Thread über einen morphologischen Bestimmungsschlüssel regte bei mir (mal wieder) Gedanken über ein interaktives Online-Bestimmungssystem an. Etwas ähnliches hat die Uni Bern für ca. 500 Linyphiiden-Arten entwickelt (noch in Testphase und wahrscheinlich am Ende nicht online) und auf Heiko Metzners Springspinnen-Seite gibt es etwas ähnliches für alle Gattungen der Springspinnen (weltweit) Link.

Ich möchte hier mal meine Ideen dazu äußern und eine Diskussion anstoßen. Dies könnte meiner Meinung nach auf dem Forumstreffen in zwei Wochen nochmal offline fortgesetzt werden (wir können dort z.B. mal das Linyphiiden-Bestimmungssystem der Uni Bern ausprobieren). Ich bin der Meinung, dass wir mit Martins/Michaels programmiererischen Kenntnissen, einigen Zeichnungen von mir und der einpflegerischen Mittätigkeit vieler SpinnenWiki Autoren in der Lage sein sollten, so ein Bestimmungssystem aufzubauen.

Die Theorie dahinter ist ganz einfach. Es gibt eine simple Datenbank in die für jedes Taxon bestimmte, vorher definierte Merkmale eingetragen werden. Dies kann sukzessiv und kolaborativ erfolgen (wie im Wiki). In einem Frontend kann der User dann unter den Merkmalen frei wählen und die jeweiligen Werte (Merkmalsausprägungen) seines Tieres eintragen. Mit jeder Eintragung wird die Datenbank neu gefiltert und nur noch die zutreffenden Taxone werden aufgelistet. Gleichzeitig werden die zur verfügung stehenden Merkmale reduziert, wenn sie nicht mehr sinnvoll sind (z.B. wenn ich beim Merkmal „Geschlecht“ Männchen wähle, werden alle Merkmale die die Epigyne betreffen ausgeblendet).
Auf diese Weise reduziert sich die Liste der zur Verfügung stehenden Arten schnell auf eine handvoll, die man dann z.B. im Wiki absuchen kann.

Je mehr Merkmale man angeben kann, desto besser:


Dieses Frontend vermittelt durch seine Interaktivität eher Tool-Charakter und wirkt überhaupt nicht wie ein klassicher Bestimmungsschlüssel. Es werden mir keine Fragen in chronologischer Reihenfolge gestellt. Nomalerweise beginne ich damit, die einfach zu erkennenden Merkmale einzugeben und beobachte gleichzeitig, was mit der Liste passiert. Bleibt die Liste zu lang, muss ich mich auch mit weiteren Merkmalen beschäftigen. Am Ende bleibt die Entscheidung aber immer bei mir, ob ich eine lange liste in Kauf nehme (mehr Arbeit beim beim abklappern der Kandidaten) oder lieber noch weitere Merkmale eingebe.
Aus meiner Erfahrung mit dem Berner Bestimmungssystem heraus kann ich sagen, das man nach einigen Durchläufen ein Gefühl dafür entwickelt, welche Merkmale sehr potent sind und welche weniger wirkungsvoll. Auch nimmt man, wenn nicht das gewünschte Ergebnis herauskommt, die ein oder andere Festlegung wieder zurück oder korrigiert sie.

Ich habe mir auch Gedanken über die Kriterien gemacht, die die Merkmale erfüllen sollten. die besten Merkmale für das Bestimmungssystem sind solche, die
- leicht zu erfassen sind
- möglichst stetig sind (ohne große Variationsbreite innerhalb des Taxons)
- die Ausgangsgruppe in ähnlich große Gruppen teilen.

Welche Merkmale man für das Bestimmungssystem auswählt, hängt vom Bestimmungsziel und der Zielgruppe ab. Um die Linyphiiden im Berner Bestimmungssystem zu trennen sind natürlich Merkmale wie Beborstung der Beine und Trichobothrien-Stellung notwendig. Wenn man mit solch einem Bestimmungssystem nur die Familien bestimmen wollte, könnten die Merkmale wesentlich einfacher sein (z.B. Augenstellung).

Da ich immer vom allgemeinen zum Detail kommen möchte, habe ich zuerst über ein Bestimmungssystem für den Einsteiger nachgedacht. Es gibt eine relativ große Gruppe an Leuten, die generell oder in bestimmten Fällen Schwierigkeiten damit haben, die Familie festzustellen. Solche User haben auch oft die Angewohnheit, zuerst ein Foto vom Tier zu schießen und drei Tage später mit dem Foto auf dem Bildschirm eine Bestimmung versuchen. Und für diese Gruppe bieten wir im Wiki überhaupt noch keine Hilfe an (wie Jörg neulich bemerkte). Deshalb bin ich von dem Grundgedanken ausgegangen, die Familie der vorliegenden Art zu bestimmen.

Beim notieren einiger Merkmale wurde mir dann aber klar, dass viele leicht zu erfassende Merkmale innerhalb der Familien stark variieren, innerhalb der Gattung aber stetig sind. Darum scheint es mir sinnvoller zu sein, gleich die Gattungen zu bestimmen. Auch wenn man am Ende nicht alle Gattungen getrennt bekommt, so zeigt das Ergebnis aber doch auch an, es muss eine Art aus der Familie xy sein (weil z.B. nur noch Gattungen dieser Familie übrig bleiben).

Man müsste sich überlegen, ob man die Linyphiiden gesondert behandelt (z.B. Gattungsgruppen bildet), um den User nicht zu überfordern. Vielleicht ist das aber auch nicht nötig.

Hier nun der Beginn eine Liste, um einen Eindruck zu bekommen, welche Merkmale man abfragen könnte. Die Reihenfolge ist jetzt willkürlich und spielt für das Bestimmungssystem keine Rolle. Man würde die Merkmale dann im Frontend, der Übersichtlichkeit halber, evtl. zu thematischen Gruppen zusammenfassen.
Die meisten der Merkmale würde ich noch genauer erklären und/oder mit schematischen Zeichnungen versehen.


Geschlecht:
- Männchen
- Weibchen

Cheliceren:
- besonders groß (mindestens 1/2 Prosomalänge)
- normal/unauffällig (kleiner 1/2 ProsomaL.)

Muster:
- deutliches Muster vorhanden
- ohne Muster (Pro-, Opisthosoma einfarbig, höchstens Prosoma-Rand und/oder Kopfbereich etwas dunkler oder leicht durchschimmernder Herzfleck auf dem Opist)

Augen Anzahl:
- <6
- 6
- 8

Augenstellung:
- Haufen (Bild)
- Zodariidae (Bild)
- zwei Reihen (Bild)
- drei Reihen, Lycosidae (Bild)
- drei Reihen, Pisauridae (Bild)
- drei Reihen, Salticidae (Bild)
- drei Reihen, Eresidae (Bild)
- vier Reihen, Oxyopidae (Bild)

Form Prosoma:
- länglich oval
- gedrungen (kreisrund)
- mit auffälligem mittigem Kopfauswuchs (Augenhügel)
- mit paarigen Kopfauswüchsen seitlich

Form Opisthosoma:
- oval, breiteste Stelle etwa in der Hälfte (Bild)
- oval, breiteste Stelle deutlich vor der Hälfte (Bild)
- oval, breiteste Stelle deutlich hinter der Hälfte (Bild)
- langestreckt (Breite <1/2 Opisth-Länge) (Bild)
- sehr flach (Bild)
- mit parigen Auswüchsen (Höckern) vorne oder doersal (Bild)
- mit einzelnem Auswuchs hinten (Bild)

Muster Prosoma:
- ein heller Mittelsreifen auf dunklem Grund (Bild)
- ein dunkler Mittelsreifen auf hellem Grund (Bild)
- zwei dunkle Längsstreifen auf hellem Grund (Bild)
- vier dunkle Länsstreifen auf hellem Grund (Bild)
- dunkle Flecken auf hellem Grund (leopardenartig)
- ...



Muster Opisthorsoma:
- ein oder mehrere Längsstreifen (Bild)
- Winkelflecken (Bild)
- chaotisch angeordnete Flecken (Bild)
- einige große weiße Flecken auf schwarzem Grund (Bild)
- komplexes Muster aus verschiedenen Elementen und Farben (Bild)
- ...

Muster Beine:
- dunkle Längslinien (mindestens an den Femora)
- helle Lännglinien auf dunklen Beinsegmenten
- hell-dunkel geringelt
- einzelne Beinglieder komplett dunkler oder heller
- alle Beine einfarbig

Körpergröße in Klassen:
- sehr kleine Art (unter 2 mm)
- kleine Art (2–5 mm)
- mittelgroße Art (5–10 mm)
- große Art (über 10 mm)

Proportion Beine/Körper:
- langbeinig (längstes Bein > 2 x Körperlänge)
- normal/durchschnittlich (längstes Bein zwischen 1 und 2 x Körperlänge)
- kurzbeinig (längstes Bein kürzer KL)

Längstes Bein:
- 1
- 2
- 4

Farbe (auffällige Färbung mindestens eines Körperteils (z.B. Prosoma)):
- grün
- weiß
- schwarz
- rot/orange
- rosa
- keine auffällige Farbe (braun, gelblich, beige bis grau)

Spinnwarzen:
- auffällig lang und gut sichtbar
- unauffällig oder nicht sichtbar

Fortbewegung:
- kann an glatten Flächen (z.B. Glas) mühelos emporlaufen
- springt ab und zu (z.B. gezielt um ein Hindernis zu überwinden oder als Fluchtreaktion, wenn sie beunruhigt wird)

Fangnetz:
- Radnetz (Bild)
- Radnetz mit Stabiliment (Bild)
- Radnetz mit fehlendem Sektor (Bild)
- Radnetz aus drei Sektoren (Bild)
- Raumnetz (Bild)
- Deckennetz, Spinne sitzt oben auf dem Netz (Bild)
- Deckennetz, Spinne hängt unter der Netzdecke (Bild)
- Gespinströhre in einem Loch (Mauer oder Baumstamm), von dem einige Fangfäden ausgehen (Bild)
- rundum geschlossener Fangschlauch auf dem Boden (Bild)

Körperoberfläche:
- auffällige lange Behaarung
- Prosoma glänzend, Opisthosoma matt
- Pro- und Opisthosoma glänzend


Jörg

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Re: Bestimmungssystem
« Antwort #1 am: 2010-04-24 19:27:34 »
Hallo Arno,

das klingt wirklich interessant. Ich stelle mich als "der mit keiner Ahnung" zur Verfügung, der das Ding hinterher testet.

Kennst Du die Bestimmungshilfen für Käfer auf kerbtier.de und Marienkäfer auf stippen.nl? Die finde ich sehr gut. Natürlich sind sie längst nicht so umfangreich, wie Du Dir das für Spinnen vorstellst. Doch vielleicht kriegst Du dadurch ja noch Anregungen.

http://www.kerbtier.de/cgi-bin/deXIdentify.cgi

http://www.stippen.nl/symtabel.php

Jörg

Jens Wilmers

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Re: Bestimmungssystem
« Antwort #2 am: 2010-04-24 20:05:11 »
Hallo Arno,

das alte Expertensystem ist also noch nicht ganz in Vergessenheit ;-)

Der ‚klassische’ Bestimmungsschlüssel besteht aus einer sequentiellen, binären Baumstruktur mit klar zuordnungsfähigen Kriterien. In Deinem Konzept gibst Du nur die die sequentielle Abfrage auf. Kenntnisse über die Baumstruktur braucht Du trotzdem (Wenn Beine geringelt, dann nicht Tegenaria) .

Darf ich eine radikalere aber dafür m. E. einfachere Lösung vorschlagen? Dabei gebe ich die sowohl Baumstruktur als auch die klar zugeordneten Kriterien komplett auf. Zunächst brauchen wir Dein Frontend mit den Merkmalen. Der Benutzer macht, sozusagen parallel, beliebig viele Eintragungen zu den Merkmalen die er beantworten kann und gibt die Seite frei.

Als weiteres brauchen wir eine Datenbank (eigentlich nur eine Tabelle), die für jede Art und jedes Kriterium die Wahrscheinlichkeitswerte von 0 bis 1 enthält, dass die Art das Merkmal aufweisen kann, ggf. unter Berücksichtigung, dass ein laienhafter Benutzer dieses Merkmal so sehen kann.

Für jede Art werden die Wahrscheinlichkeiten, zu den Kriterien zu denen der Benutzer Angaben gemacht hat (der Rest wir auf 1 gesetzt) miteinander multipliziert und die Ergebnisse sortiert. Damit haben wir eine Liste der wahrscheinlichsten Arten, die man durch weitere Eingaben weiter einengen oder im Wiki nachschlagen kann.

Der Vorteil ist, dass dieses System sowohl in der Zahl der Arten als auch der der Kriterien wachsen kann, so dass man sozusagen  im ‚Laienmodus’ zunächst mit den Top 20 FAS (frequently asked spiders) anfangen kann.

Gruß
Jens

Arno Grabolle

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Re: Bestimmungssystem
« Antwort #3 am: 2010-04-24 22:04:14 »
Nein, so einfach kommst du mir nicht davon, als Tester. Du solltest auch bei der Entwicklung deine Ideen äußern.

Danke für die Links Jörg. Die kannte ich noch nicht. Man sieht aber, dass es ähnliches im Netz schon gibt.

Im Vergleich zum Berner Bestimmungssystem sind diese Eingabeformulare ziemlich starr. Es fehlt mir da die echte Interaktivität, die das Berner System etwas sympathischer und cleverer macht. Dort habe ich in einer Seitenleiste gleich von Beginn an alle Arten aufgeführt (und eine Zahl: „Passende Arten: 543“ oder so ...). Auf der anderen Seite stehen in einer Liste alle Merkmale. Ich wähle ein Merkmal aus, kreuze die zutreffende Merkmalsausprägung an und bestätige und in diesem Moment verringert sich die Zahl der Arten und die Zahl der Merkmale. Es kann also passieren, dass ich nach zwei Angaben schon nur noch drei Arten in meiner Liste habe. Ich sehe also immer sofort, das Ergebnis meiner Eingabe. Das halte ich für sehr wichtig, weil dadurch ein Bestimmungssystem zum wirklichen Tool wird im Sinne eines echten Werkzeugs in der realen Welt. Wenn ich einen Hammer am Kopf packe und einen Nagel einschlagen will, sehe ich sofort, dass das nicht geht. Also korrigiere ich meinen Ansatz. Wenn ich den Fehler erst Bemerke, wenn das Fenster wieder aus dem Rahmen fällt, bin ich frustriert.

So funktioniert das auch in so einem Bestimmungssystem (meine Erfahrung). Oft kommt es vor, dass ich zu einer Spinne schon eine bestimmte Idee habe. Oder ich weiß, das kann kein Tenuiphanthes und kein Gonatium sein, weil ich die kenne und weiß, wie die aussehen. Wenn nach einer Merkmalseingabe nur noch die beiden Gattungen aufgeführt werden, weiß ich, dass ich irgendwas falsch gemacht haben muss. Also prüfe ich meine Eingaben von vorher und nehme eine wieder zurück. Dann sehe ich, dass eine andere Gattung dazu kommt ... und schließe wieder etwas daraus ...

Das geht bei solchen Formularen im Prinzip auch, ist aber etwas umständlicher.

Schön finde ich, dass die Ergebnisse in Thumbnails dargestellt werden. Das sollte man sich überlegen.

Negativ fällt mir auch auf, das sich schon im Seitenlayout des Frontends suggeriert bekomme, dass ich zuerst die Basic-Merkmale eingeben muss und später die feineren Details. Das erinnert mich wieder an einen Bestimmungsschlüssel. In Wirklichkeit ist es völlig egal, mit welchem Merkmal in beginne. Dann wählt der User nämlich das, welches ihm zuerst ins Auge fällt und eines, welches leicht/sicher zu erfassen ist und macht so automatisch etwas richtiges.
Aber das sind wahrscheinlich Feinheiten im Layout, die nach der grundsätzlichen Diskussion folgen sollten.

@Jens: Ich erinnere mich ehrlich gesagt kaum noch an die Diskussion, weiß aber noch, dass wir viel diskutiert hatten. Grundsätzlich habe ich da oben nichts Neues erfunden. Es ist das gleiche Prinzip des Berner Linyphiiden-Schlüssels auf (alle) Spinnengattungen übertragen. Den Berner Schlüssel benutze ich seit einem Jahr erfolgreich.

Grundsätzlich sprechen wir glaube ich vom selben. In meinem Konzept muss man die Merkmale auch nicht in einer bestimmten Reihenfolge eingeben. Es ist vollkommen dem User überlassen, womit er beginnt und wie viele Merkmale er eingibt. Die Auswertung wird aber immer sofort, nach jeder Eingabe angezeigt.

Über die Zusammenhänge der Merkmale mit den einzelnen Taxa weiß nur die Datenbank etwas. Tegenaria wir nicht mehr mit angezeigt, sobald der User sie durch Eingabe der Merkmalsausprägung „Beine: geringelt“ ausgeschlossen hat (oder einem anderen Merkmal, welches Tegenaria ausschließt).

Du hast mit den Wahrscheinlichkeits-Werten noch mal eine Verfeinerung der Auswertung eingeführt und die Möglichkeit der Wichtung der Ergebnisse. Das ist für einige Merkmale vielleicht auch sinnvoll (Färbung), für andere aber nicht (Augenstellung). Ich fürchte, das bringt mehr Arbeit und Unsicherheit bei der Dateneingabe (wer schätzt das wie ein?), die vielleicht nicht den gewünschten Effekt bringt.

Ich bin da mehr für eine klare Definition der Merkmale und falls unklar oder Übergänge vorhanden sind, kann ein Taxon auch mehrere Ausprägungen eines Merkmals bekommen. Micrommata viresces muss bei der Farbe sowohl mit „grün“ als auch mir „unauffällig“ verlinkt werden.

Arno

Jens Wilmers

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Re: Bestimmungssystem
« Antwort #4 am: 2010-04-25 09:50:22 »
Hallo Arno,.

offensichtlich denken wir beide an das gleiche System. Die kontinuierlichen Werte sind natürlich nur für die weichen Faktoren wie Farbe, Habitat, Funddatum reifer Tiere (wenn überhaupt ein geeignetes Kriterium) sinnvoll.

Ich bin da mehr für eine klare Definition der Merkmale und falls unklar oder Übergänge vorhanden sind, kann ein Taxon auch mehrere Ausprägungen eines Merkmals bekommen. Micrommata viresces muss bei der Farbe sowohl mit „grün“ als auch mir „unauffällig“ verlinkt werden.

Diese Punkt ist nicht zu unterschätzen hierin steckt eine Menge an Expertenwissen wenn man eine Art nicht versehentlich zu früh ausblenden will.

Als Beispiel wenn ich Leptinotarsa decemlineata (Kartoffelkäfer) in www.kerbtier.de suche, findet das System die Art auch dann, wenn ich unsinnigerweise Halsschild oder Flügeldecken auf rein schwarz und das jeweilig andere Merkmal auf schwarz/gelb setze. Setze ich die Flügeldecken jedoch auf schwarz/weiß, was nicht abwegig ist, wird die Art nicht gefunden.

Hier noch ein paar mögliche Kriterien
  • Läuft auf glatten Flächen
  • Baut Netze der Form ... (Liste)
  • Prosoma / Opisthosoma (auffällig) behaart


Jens

Katja Duske

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Re: Bestimmungssystem
« Antwort #5 am: 2010-04-25 09:56:52 »
    Vielleicht könnte man auch noch die Fortbewegung mit einbeziehen:

    • läuft schnell
    • läuft langsam
    • springt...

    LG Katja

Arno Grabolle

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Re: Bestimmungssystem
« Antwort #6 am: 2010-04-25 11:29:19 »
Danke für weitere Merkmale. Ich habe in der Liste oben bewusst nicht versucht die Merkmale bis ins letzte zu Durchdenken, um noch Spielraum für Diskussionen zu lassen. Und weil im Grunde zuerst einmal geklärt werden muss, ob jemand so etwas umsetzt und wie ...

@Jens: Vielleicht kann eine Liste mit Allerweltsarten (FAS = frequently asked spiders ... finde ich eine gute Idee) mit Bildern parallel existieren, für die „absoluten Laien“ (wie sie sich selbst gerne bezeichnen). Solch eine Auflistung könnte dann kartoffelkäfer-äquivalente Spinnen enthalten, damit die immer gefunden werden können.

Wie gesagt, aus meiner eigenen Erfahrung heraus, denkt der User ja auch ein wenig mit. Er will ja herausfinden, welche Art/Taxon das ist. Wenn er die Flügeldecken als schwarz/weiß markiert und die Ergebnisse alle nicht überzeugen, überlegt er vielleicht, ob das nicht als schwarz/gelb zu interpretieren wäre. Denn die Merkmalsausprägung „schwarz/gelb“ sieht man ja in der Liste stehen (neben schwarz/weiß). Also probiert er es auch mal damit und beobachtet, was sich ändert.
Wenn es aber wirklich schwarz/weiße Formen neben den schwarz/gelben gibt, muss man die beim Einpflegen der Daten eben beide markieren. Das ist dann eine Entscheidung, die wir (Experten) fällen müssen. Man muss dann entscheiden, ob man ein konkreteres Bestimmungsergebnis in den überwiegenden Fällen will und dafür den ein oder anderen „verfärbten Irrläufer“ außen vor lässt (die können ja dann immernoch im Forum erfragt werden) oder ob man jede seltene Variante mit aufnimmt und damit aber die Ergebnisliste „verwässert“.

Ich habe bei der Benutzung des Linyphiiden-Bestimmungssystems auch die Erfahrung gemacht, dass bestimmte Merkmane schwerer einzuschätzen sind als andere. Mit dem Abstand der hinteren Mittelaugen zueinander habe ich mich schon ein paar mal verhauen (obwohl man eigentlich denken müsste, es wäre leicht zu erfassen). Deshalb verwende dieses Merkmal möglichst nicht sondern konzentriere mich auf andere. Und das die Färbung einer Spinne variabel ist, davor kann man im Begleittext des Merkmals ja warnen.

Zu den Merkmalen:
- läuft an glatten Flächen finde ich gut!
- Netzform auch sehr gut ...
- Über die Behaarung hatte ich schon nachgedacht. Dabei habe ich vor allem an die Heriaeus-Arten gedacht. Aber ich weiß, dass viele Laien Spinnen im Allgemeinen und fast immer als „ekelhaft behaart“ bezeichnen. Deshalb hielt ich es für zu vage ... Wo beginnt man da und wo hört man auf? Ist Tegenaria auffällig behaart?
Aber wie wäre es mit „glänzend“?

- läuft schnell/langsam finde ich zu vage. Wenn jemand zu ersten Mal eine Scytodes in der Nacht hinterm Badspiegel vorkommen sieht, erschrickt und die Spinne mal drei Schritte rennt, erzählt er, sie sei schnell gelaufen, dabei würden wir alle Scytodes als ausgesprochenen Langsamläufer bezeichnen.
- springt ... hmm, ja, ganz gut. Wen beträfe das? Springspinnen, Oxyopes, Clubiona, Pardosa?, Anyphaena? Aber was ist, wenn jemand eine Clubiona findet, und diese nicht gerade beim springen beobachtet (das machen die ja nicht immer). Also steht Clubiona bei „springt“ und „springt nicht“. Genauso Anyphaena und Pardosa ...

Ich ergänze die Merkmale oben in der Liste.

Arno

pfeiffer

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Re: Bestimmungssystem
« Antwort #7 am: 2010-04-25 12:46:05 »
@Jens: Vielleicht kann eine Liste mit Allerweltsarten (FAS = frequently asked spiders ...

Das muss "FASQ" sein -- frequently asked spider questions, da sie Spinne selbst in der Regel nicht gefragt wird.

-K

Jörg

  • Gast
Re: Bestimmungssystem
« Antwort #8 am: 2010-04-25 13:38:47 »
Eine Liste der in Frage kommenden Arten, die sich bei jeder weiteren Eingabe automatisch aktualisiert, fände ich sehr gut. (Bei den Marienkäfer auf stippen.nl gibt es das auch). Noch besser jedoch wäre meiner Meinung nach, wenn man beispielsweise die "Top Ten" schon gleich als Thumbnail angezeigt bekäme. Vielleicht wäre der Faunistikwert eine Möglichkeit, die Suchergebnisse nach "Wahrscheinlichkeit" des Fundes zu sortieren? Dann würde man, noch bevor man eine Eingabe gemacht hat, die am häufigsten gefundene Spinne ganz oben sehen (ich glaube Argiope bruenicchi). Gibt man dann beispielsweise "Habitat: Haus/Keller" und "Größe: groß bis sehr groß" ein, sollte auf Platz 1 gleich Tegenaria atrica stehen.
Werden die (Zwischen)ergebnisse nur in Form einer alphabetisch oder systematisch sortierten Liste angezeigt, wäre man gezwungen, weiter zu suchen, oder neue Merkmale einzugeben.
Sprich: Man sollte zu jedem Zeitpunkt eine Bildauswahl von Arten haben, um auf den ersten Blick zu sehen: "Die ist es". Oder, wahrscheinlich weit häufiger: "Die ist es mit Sicherheit nicht". Wenn man diese Bilder dann quasi durchstreichen, die Art/Gattung/Familie also ausschließen könnte, würde einen das auch schon einen Schritt weiterbringen. Je mehr Ballast man von vornherein loswerden kann, um so besser.
Sind halt nur so Ideen...

Jörg

Arno Grabolle

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Re: Bestimmungssystem
« Antwort #9 am: 2010-04-25 23:02:46 »
FASQ sind dann aber leider keine Spinnenarten sonder Fragen über Spinnen (sind alle Spinnen giftig? Wie groß ist die größte Spinne? und sind die wirklich nicht alle giftig?)

@Jörg: Beides gute Ideen. Das mit der Reihenfolge lässt sich vielleicht sogar auf Wunsch des Users anpassen. Es könnte drei mögliche Auflistungsreihenfolgen geben: alphabetisch, nach Familien sortiert und nach Häufigkeit.

Auch die zweite Idee scheint mir ziemlich gut zu sein. Man könnte bestimmte Ergebnisse aus-ixen. ich muss sagen, wenn ich mir das recht überlege, wäre das eine Funktion, die ich im Linyphiiden-Bestimmungssystem brauchen könnte. Das würde bei der Übersicht helfen und doppeltes absuchen sparen.

Thumbnail-Vorschau wäre gut. Ich weiß nicht, ob das so gut umsetzbar ist (Ladezeit usw.) und wie aussagekräftig ein Thumbnail für eine ganze Gattung sein kann. Ich weiß gar nicht, wie viele Gattungen wir hier in Mitteleuropa haben. Ich schätze um 400. Wenn die am Anfang alle gezeigt werden müssen ...

Der Anspruch ans Frontend wird großer (was nichts schlechtes ist) ...

Ich habe das Gefühl, wir könnten hier ein richtig praktisches Werkzeug schaffen, dass unser Wiki zu einem echten Bestimmungswerk machen kann.

Arno

Jürgen Scharfy

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Re: Bestimmungssystem
« Antwort #10 am: 2010-04-26 10:34:44 »
Das ist in etwa was ich im April 2007 im alten Forum mit meinem visuellen Spinnenbaukasten versuchte zu beschreiben.
Ersteingabe auffälliger Merkmale an Hand einer Liste -> Vorschläge -> weitere Merkmale erkennen/andere anpassen -> neue Vorschläge .... usw.
Schade, dass ich damals aus privat meinem Prototypen gerissen wurde und nun nie wieder für so etwas Zeit haben werde. Ich werde versuchen das hier zu verfolgen :-)

Gruß,
Jürgen

Aloys Staudt

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Re: Bestimmungssystem
« Antwort #11 am: 2010-04-26 11:11:15 »
Hallo zusammen,
jemand der ein Bino besitzt und damit umgehen kann und jemand, der mit den bereits
vorhandenen Bestimmungsschlüsseln umgehen kann, braucht im Prinzip das angedachte
System nicht. Obwohl man sich trotzdem natürlich ein moderneres Verfahren, das die
Möglichkeiten des PC nutzt, also im Stil des Berner Linyphiidenschlüssels, für alle
Familien wünschen würde.

Dennoch besteht offenbar Bedarf für einen EINFACHEN Schlüssel, der z.B. im Rahmen
des WIKI Anwendung finden könnte.

Meiner Meinung nach muss aber, bevor es losgeht, festgelegt werden:

1. die Zielgruppe
2. die technischen Voraussetzungen bei den abzufragenden Merkmalen (braucht man ein Bino?).

Erst wenn das feststeht, kann man über die Komplexität des Abfragesystems nachdenken.
_________
Aloys

 

Martin Lemke

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Re: Bestimmungssystem
« Antwort #12 am: 2010-04-26 15:49:12 »
Meine Güte habt Ihr mir viel Text zu lesen gegeben!

Aloys' Einwände möchte ich zerstreuen. Zielgruppe und technische Voraussetzung muss variabel sein. Wer den Schlüssel nicht benötigt, weil er gut mit ihm arbeiten kann, braucht ihn nicht. Und der Schlüssel, der mir vorschwebt, soll den der Uni Bern nicht ersetzen, sondern ergänzen.

An den bestehenden Schlüsseln stört mich, dass Merkmale abgefragt werden, die ich genauso gut gleich überschlagen könnte, wenn es diese Möglichkeit gäbe. Z. B. die Geschlechtsfrage. Oftmals ließe sich die Gruppe der möglichen Arten schon dadurch drastisch einschränken, indem die Körperlänge gemessen wird. Wie bei meiner Zelotes neulich, welche über 9 mm lang war; statt dessen muss ich mich vergleichend durch Epigynenzeichnungen von Arten quälen, welche durch das Größenkrieterium auszuschließen gewesen wären. Am Ende blieb ich unsicher und musste im Forum nachfragen.

Ich wünsche mir also einen Schlüssel mit starken Abkürzungen. Ich persönlich determiniere in der Regel anhand der Genitalmerkmale. Auch hier gibt es einfach klassifizierbare morphologische Marker, welche die Suche stark abzukürzen erlauben; möglicherweise sogar ohne die Familie vorher bestimmt zu haben.

Aus unserem ersten experimentellen Expertensystem weiß ich noch, dass Merkmale, die klar erscheinen, nicht immer ganz klar sind. Selbst bei der Frage, ob die Beine der Art XY geringelt sind oder nicht oder nur gefleckt. Der Teufel lauert im Detail. Das Problem, man muss eine Grenze willkürlich ziehen und das ist dann eben nicht mehr eindeutig. Im Zweifelsfall muss man die Beine unter geringelt und unter gefleckt angeben.

Arnos Zeichnungen mit den Schnittmengen war schon sehr einleuchtend. So stelle ich mir das vor.

Martin
Profil bei Researchgate.net – Spinnen-News aus SH

DAS waren noch Zeiten: Norwegen 2011.

Arno Grabolle

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Re: Bestimmungssystem
« Antwort #13 am: 2010-04-26 19:50:27 »
Hallo,

@Jürgen: Mir ist auch erst beim Schreiben klar geworden, dass der ein oder andere damals sicherlich schon so etwas ähnliches im Kopf hatte. Bei mir ist der Groschen erst mit der Benutzung des Berner Linyphiiden-Bestimmungssystems gefallen, welches ich inzwischen wirklich genial finde (vom Ansatz her – in der Umsetzung wirkt es noch wie ein Testobjekt, was es ja auch ist).

Gerade eben hat es mich wieder überrascht. Ich habe Pierre Ogers Linyphiidae fast ohne weitere Angaben (außer den Fotos und der Körperlänge) sofort bis zur Art bestimmen können. Die Beborstung konnte ich auf dem Foto erkennen (Pierre hatte es dann nochmal nachgereicht) und auch anderer Details (kein Kopfauswuchs, Abstand hi. Mittelaugen usw.). Von den 671 im System enthaltenen Arten waren nach Eingabe von nur drei Merkmalen nur noch 7 übrig, die schnell nach dem richtigen Palpus durchsucht waren.

@Aloys: Falls es nicht deutlich geworden sein sollte. Als Zielgruppe hatte ich den Normaluser (nicht gerade absolute Laien) und/oder interessierten Naturfotografen im Auge. Jemanden ohne Bino und mit einer Artenkenntnis von 20 bin 50 Standardarten ums Haus und auf der Wiese, der aber nicht auf Anhib alle (oder die meisten) Arten einer Familie zuordnen kann. Solche Leute sammeln die Spinnen nicht unbedingt ein. Interessant waren für mich deshalb vor allem Merkmale, die man zur Not auch auf Fotos oder aus der Erinnerung zusammenbekommt. Ich will ja auch erstmal nur die Familien (Gattungen) bestimmen. Wenn so ein System funktioniert (auch technisch), kann man es meiner Meinung nach schnell kopieren und anpassen (z.B. für die Arten der großen Familien).

Gründe für die Zielgruppe: Zum einen, wie du, Aloys, schon sagtest, besteht Bedarf nach einem einfachen/ersten Einstieg ins Wiki (den es bisher nur rudimentär für farbige Spinnen z.B. gibt) und zweitens glaube ich, haben wir diese (für uns „Experten“) relativ einfachen und überschaubaren Merkmale besser im Griff. Wir müssen ja nicht gleich mit dem Schwierigsten anfangen.

@Martin: Genau diese Probleme löst solch ein Bestimmungssystem. Die Körperlänge ist ziemlich schnell ermittelt und das Geschlecht auch. Diese beiden Parameter grenzen die Anzahl der Taxa schon ziemlich ein. Dazu noch ein paar körperbauliche Eigenschaften, die gut überlegt und eindeutig beschrieben sein müssen) und ein paar Mustervarianten und man müsste in den meisten Fällen zu einer überschaubaren Anzahl übriger Taxa kommen. Ich nehme an, dass man aus den oben gesammelten Merkmalen im Durchschnitt 5 Stück eingeben muss um zu einer Anzahl von 5 bis 10 Gattungen zu kommen, die man dann auch im Wiki besuchen kann.

Für Leute die nach Genitalien bestimmen, ist dieses System nicht gedacht. Dafür muss man ein äquivalentes System aufbauen mit anderen Merkmalen.

Arno

pfeiffer

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Re: Bestimmungssystem
« Antwort #14 am: 2010-04-26 21:23:57 »
Before the wheel is completely re-invented, you might want to take a look at the Web site for DELTA -- the taxonomic description language in use in the Linyphiid determination program that a couple of us are testing:

http://delta-intkey.com/

(I write this in English because the pages referred to are all in English.)

Es wurde, denke ich, haupsächlich für das PC und zur Entwicklung von wissenschaftlichen Texten (auf Papier) gedacht, aber vielleicht kann sowas in andere Systeme (online Bestimmungsschlüssel usw.) übertragen werden.

-Kevin
 
P.P.S. -- wir sind nur eine kleine Ecke in der "Biodiversity Information World" -- warum müsst ihr Motoren entwickeln nur weil man ein Auto zusammenschrauben möchte? Also mein Tipp -- schau mal zuerst an, was es schon für ähnliche Projekte und Standards gibt (jenseits der Arachnologe).

Arno Grabolle

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Re: Bestimmungssystem
« Antwort #15 am: 2010-04-26 22:20:01 »
Danke für den Link.

Nunja, über die technische Umsetzung wollte ich mir noch keine Gedanken gemacht haben. Theoretisch könnte man auch diese Software benutzen. Aber ich stelle mir schon eine Website vor und eine besser strukturierte Oberfläche, als sie die Intkey-Software bietet. Und wie Jörgs Vorschläge oben zeigen, kann man wahrscheinlich auch noch die ein oder andere wesentliche Verbesserung finden.

Arno

Martin Lemke

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Re: Bestimmungssystem
« Antwort #16 am: 2010-04-27 00:56:10 »
Zitat von: Arno
Für Leute die nach Genitalien bestimmen, ist dieses System nicht gedacht.

Welches? Das der Uni Bern oder das, von dem wir seit Jahren träumen?

Wenn zweiteres: Ich verstehe nicht, warum Genitalmerkmale raus fallen sollen. Letztendlich sind genau diese bestimmungsrelevant. Helophora insignis  ist oft gelblich, aber nicht selten auch deutlich grün; die Epigyne ist aber immer gleich. Den Ausschluss bestimmungsrelevanter Merkmale finde ich schlicht dumm.

Wenn ich also eine adulte Spinne vor mir liegen habe, dann liegt nichts näher als diese nach den Genitalmerkmalen zu bestimmen. Manchmal nehme ich die falsche Familie an (neulich gerade hatte ich eine Lycosidae für eine Gnaphosidae gehalten). Bei Familien, mit denen ich sehr wenig bis gar keine Erfahrung habe, bleibt mir oft nichts anderes übrig als stur nach Katalog genitalmorphologische Merkmale zu vergleichen. Hier wäre eine rein genitalmorphologische Grobteilung sehr hilfreich (dies hatte ich jüngst vorgeschlagen).

An der Entwicklung eines Schlüssels, der sich allein an Naturfotografen wendet, habe ich kein Interesse mitzuarbeiten, weil er mir nichts nützt und mich mit meinen Bedürfnissen allein lässt. Zu geben motiviert ja meist nur, wenn man auch etwas nehmen kann. Und bei Dingen, die sehr viel Arbeit bereiten ja wohl erst recht.

Martin
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Jörg

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Re: Bestimmungssystem
« Antwort #17 am: 2010-04-27 11:44:29 »
Ich fände es auch unklug, Merkmale, nach denen eine Spinne bestimmt werden kann (genitale oder sonst welche), von vornherein auszuschließen. Der Laie kann/muß sie einfach weglassen, der Experte gibt vielleicht nur solche Merkmale an.
Auch sollte man den Schlüssel nicht beschränken, indem man sagt: Nur ohne Bino.
Vielmehr wird einem doch, nach Angabe mehrerer Merkmale, eine mehr oder weniger umfangreiche Auswahl möglicher Arten angeboten. Wenn man die dann im Wiki nachschlägt, erhält man ohnehin oft den Hinweis, welche Merkmale sicher zu dieser Art führen würden. Für den reinen Fotografen wäre nichts verloren, wenn der Schlüssel nun dem Experten Möglichkeiten bietet, die Art noch weiter einzugrenzen.
Man könnte im Schlüssel ab eines gewissen Punktes auch einen Hinweis einblenden: "Ab hier nur genital" (Mir schwebt da ein Piktogramm vor, das aber wohl nicht ganz jugendfrei ausfallen würde ;-))

Wenn man so ein Projekt plant, sollte man zuallererst das Optimum anstreben. Auf Beschränkungen oder Hindernisse stößt man noch früh genug.
Das Optimum in diesem Fall ist klar definiert: Wir wollen alle Spinnenarten Deutschlands/Mitteleuropas bestimmen. Bei einigen reicht schon ein Foto, bei anderen ist mehr vonnöten. Wenn irgendein System das unter einen Hut bringen kann, dann so eines, wie Arno es hier vorschlägt; ein System, bei dem man die Wahl hat, nach welchen Kriterien man vorgeht. Für mich als Anfänger ist bei der Bestimmung nichts schlimmer, als gleich zu Anfang in einem starren Schlüssel nach Merkmalen gefragt zu werden, die ich auf meinen Fotos nicht sehen kann. Wenn ich hingegen im interaktiven Schlüssel alles eingegeben habe, was ich weiß, kann ich bei den vorgestellten Arten z.B. gleich sehen, was keinesfalls in Frage kommt. Das ist schon sehr viel wert.

Ich glaube, das wird eine echte Mammutaufgabe, so einen Schlüssel zu entwickeln. Aber es wird sich mit Sicherheit lohnen!

Jörg

Arno Grabolle

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Re: Bestimmungssystem
« Antwort #18 am: 2010-04-27 21:58:46 »
@Martin: richtig. Mir schwebt ein Einsteiger BS (=Bestimmungssystem) vor, mit dem man zur Familie bzw. Gattung kommt. Dieses BS sollte von interessierten Naturfotografen und „Halbwissenden“ und Laien nurtzbar sein um unser Wiki als Datensammlung für diese Zielgruppe zu erschließen.

Gründe:
- Ich denke, es ist nötig einen umfassenden Bestimmungs-Einstig fürs Wiki anzubieten
- Die Zielgruppe ist recht groß und meiner Meinung nach zu einem großen Teil sehr interessiert daran bei Bestimmungsfragen, sich selbst helfen zu können und nicht immer auf unsere (Experten) Hilfe angewiesen zu sein.
- Die Ansprüche der Experten an solch ein BS sind völlig andere und müssen meines Erachtens an anderer Stelle gelöst werden.

Die Handvoll „Experten“ hier im Forum – die Leute, die ein Bino zu Hause stehen haben – benötigen nur in den seltensten Fällen einen Bestimmungseinstieg bei 0. Wir sollten in den allermeisten Fällen die Familie und sogar die Gattung allein am Habitus erkennen. Und wenn du mal eine schwarze, ungezeichnete Lycosidae findest, weißt du, dass du sie anhand der Augenstellung von einer Gnaphosidae unterscheiden kannst. Der Anfänger weiß das nicht.

Ich bin wirklich der Meinung, dass das zwei ganz verschiedene Zielgruppen und Ansprüche sind. Wenn ich mir die Merkmale im Berner Linyphiiden-BS anschaue, dann sind die genau auf diese Familie zugeschnitten: Beinbestachelung, Kopfauswuchs usw. Diese Merkmale bei anderen Familien abzufragen hat gar keinen Sinn. Die Fragen zu den Genitalien sind sehr grob gehalten (Epigyne mit Scapus/ohne Scapus). Und das sicher nicht ohne Grund. Ich glaube, es ist kaum möglich, grundlegende Strukturen aus diesen komplexen Gebilden zu abstrahieren und sie verbal oder per symbolischem Bild abzufragen – und das Familienübergreifend. Viel weiter als „mit Scapus / ohne Scapus“ kommt man das nicht. Aber das kann ja an einer anderen Stelle besprochen werden.

Interessant am Berner BS ist eigentlich der Ansatz, die 760 Linyphiiden-Arten vor allem anhand nongenitaler Merkmale (Prosomalänge, Beinbestachelung usw.) auf eine kleine Gruppe einzuschränken um nicht alle Genitalbilder durchschauen zu müssen. Der Ansatz ist also gerade ohne Genitalien so weit wie möglich zu kommen, weil deren Strukturen einfach viel schlechter zu beschreiben/erkennen sind, während man die Anzahl der Borsten auf der Tibia in den meisten Fällen sogar auf einem Habitusfoto zählen kann.

@Jörg: Ich würde in solch ein BS keine Stufen oder Abtrennungen einführen. Es sollte meiner Meinung nach wirklich zu 100% dem User überlassen sein, welches Merkmal er wählt und eingibt. Die Kondensation geschieht von allein.

Ich bin der Meinung, dass man aus diesem BS, welches hier besprochen werden sollte, mikroskopische Sachen und die damit verbundenen Fachtermini bewusst ausklammern sollte, um die Anfänger nicht abzuschrecken. Ich bin davon überzeugt, dass diese gar nicht nötig sind um die einheimischen Spinnengattungen zu bestimmen. Du hast es ja schon schön beschrieben:
Zitat
Für mich als Anfänger ist bei der Bestimmung nichts schlimmer, als gleich zu Anfang in einem starren Schlüssel nach Merkmalen gefragt zu werden, die ich auf meinen Fotos nicht sehen kann. Wenn ich hingegen im interaktiven Schlüssel alles eingegeben habe, was ich weiß, kann ich bei den vorgestellten Arten z.B. gleich sehen, was keinesfalls in Frage kommt. Das ist schon sehr viel wert.
... das ist nicht nur viel Wert, sondern auch alles was man (ohne Hilfe) erreichen kann!

Wie gesagt, ich glaube nicht, dass es eine so große Aufgabe ist. Die Technik dahinter sollte relativ überschaubar sein (Datenbank und Abfragen dieser). Das Einpflegen der Daten stelle ich mir als einen ähnlich sukzessiven Prozess vor, wie den Aufbau des Wikis. Die Werte (Merkmale) werden am Anfang definiert und dann kann im Grunde jeder in ein paar Minuten eine neue Gattung einpflegen. Es müssen ja nur ein paar Häkchen gesetzt werden.

Arno

Martin Lemke

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Re: Bestimmungssystem
« Antwort #19 am: 2010-04-28 00:30:21 »
"Ab hier nur genital" (Mir schwebt da ein Piktogramm vor, das aber wohl nicht ganz jugendfrei ausfallen würde ;-))

Send pix!!!
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Jörg

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Re: Bestimmungssystem
« Antwort #20 am: 2010-04-28 20:50:49 »
Zitat
Send pix!!!

Okay, hier der erste Entwurf für die Kategorie "Männchen".
Zugunsten eines erhöhten Wiedererkennungswertes mußte ich einige Abstriche bei der anatomischen Korrektheit machen.

Jörg

...dabei war dieser Thread bisher so schön sachlich...

Tobias Bauer

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Re: Bestimmungssystem
« Antwort #21 am: 2010-04-28 21:04:13 »
Das besonders Witzige daran ist, dass manche Leute sich das wohl so vorstellen ... :-P

Grüße

Lars Friman

  • Gast
Re: Bestimmungssystem
« Antwort #22 am: 2010-04-28 21:06:32 »
Bei den Weberknechten voll richtig!
Lars Friman

Pavel Bezdecka

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Re: Bestimmungssystem
« Antwort #23 am: 2010-04-28 21:52:10 »
For opilionologists maybe twice :-)))
Pavel

pfeiffer

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Re: Bestimmungssystem
« Antwort #24 am: 2010-05-05 14:13:07 »
Ein Online-Bestimmungssystem für die Amaurobiidae (specialist, nicht für Anfänger)...

http://www.amaurobiidae.com/specieslist/speciesidentification.php

-K

Jörg

  • Gast
Re: Bestimmungssystem
« Antwort #25 am: 2010-05-05 19:00:08 »
Hallo Kevin,

das ist sehr interessant! Genau so sollte auch "unser" Bestimmungssystem sein - nur eben (auch) mit einfachen Merkmalen, die man auf Makrofotos erkennen kann. Ich glaube, in dieser Art muß man sich auch den Linyphiiden-Schlüssel vorstellen, den Arno benutzt, oder?

Ich habe mal spaßeshalber nur zwei Merkmale eingegeben (die mir als Laien allerdings überhaupt nichts sagen), und von anfangs 583 Arten blieben nur 2 übrig. Eindrucksvoll! Das waren anscheinend gute Merkmale!
Wie Arno auch schon sagte: Mit nur ganz wenigen Merkmalen kann man die in Frage kommenden Arten schon sehr stark eingrenzen, und allen überflüssigen Ballast gleich zu Anfang der Bestimmung loswerden.

Und was die technische Seite angeht: Wenn man die Merkmale eingibt und erst dann ein Zwischenergebnis erhält, wenn man auf "Submit" klickt, dürfte es auch keine großen Probleme mit Ladezeiten etc. geben, selbst wenn man die Ergebnisse auch als Top-Ten-Thumbnails angezeigt bekommt.

Jörg

pfeiffer

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Re: Bestimmungssystem
« Antwort #26 am: 2010-05-05 19:28:51 »
Hallo Jörg,

freut mich, dass es für dich interessant war. Ob das ein gutes Mustermodell ist, kann ich nicht sagen (denke eher nicht so). Aber es lohnt sich immer andere Arbeit anzuschauen. Und wie du festgestellt hast, das schöne an der Sache ist, eine Merkmalenabfragendatenbank übernimmt die technische Arbeit und macht es viel, viel einfacher "rückwärts" zu gehen, also verschiedene Möglichkeiten auszuprobieren (wie schwierig das mit einem Bestimmungsschlüssel auf Papier sein kann, kennen wir alle).

-Kevin

Arno Grabolle

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Re: Bestimmungssystem
« Antwort #27 am: 2010-05-05 23:25:58 »
Schönes Beispiel Kevin. Danke!

Ob die Oberfläche jetzt besser lösbar ist, sei dahingestellt. Grundsätzlich ist es aber sowas.

Den Linyphiiden-Schlüssel bringe ich mit zur Exkursion. Da kann man ihn ausprobieren (weitergeben darf ich nicht). Schade, Jörg, dass du nicht mit dabei bist. Grundsätzlich hast du recht. Der sieht ganz ähnlich aus.

Arno

Wolf Hölzel

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Re: Bestimmungssystem
« Antwort #28 am: 2010-06-20 23:49:43 »
Hallo erst mal an Alle!

Mit Interesse habe ich diesen Beitrag gelesen. Ich suche seit langem ein einfaches Bestimmungssystem für Laien, soweit es eben möglich ist.

Für mich selber habe ich angefangen meine DAM-Software (zunächst Expression Media 2 und jetzt IDimager 5) dafür zu nutzen, meine Fotos mit entsprechenden Tags zu versehen. Allerdings habe ich das bisher auf Grund von Zeitmangel nur oberflächlich zu Testzwecken gemacht (siehe Dateianhang). Das könnte man mit allen möglichen Abbildungen genauso machen.

Als nächstes habe ich eine php-Seite für meine Makroaufnahmen erstellt (auch eigentlich nur zu Testzwecken). http://www.w-hoelzel.de/natur4images/
Links in dem Tag Zeichen kann man nun schon mal ein Schlagwort auswählen und dann bekommt man die entsprechenden Fotos an.

Cristoph Benisch (kerbtier.de) hat das, soweit ich ihn verstanden habe, ebenso gemacht. Er fügte dann aber noch eine Datenbank-Abfrage dazu um sich entsprechende Fotos, mit denselben Tags herauszusuchen. Leider fand ich weder Zeit, meine Seite wirklich danach herzurichten noch habe ich es bisher geschafft in php und MySql einzuarbeiten.

Eure Vorschläge sehen auf jeden Fall schon viel versprechend aus.

Gruß,

Wolf
Allgemein: Fundort: Schwäbisch-Fränkischer Wald; Südhang; sonnig, Streuobstwiesen oder Magerwiesen, Waldrand.

Arno Grabolle

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Re: Bestimmungssystem
« Antwort #29 am: 2010-06-21 00:06:58 »
Hallo Wolf,

Das Word-cloud finde ich schon etwas gewöhnungsbedürftig. Aber sonst, schöne Seite.

Die Fragen, die hierbei zuletzt offen blieben, waren eigentlich nur: Wen spricht man an (bis in welche Tiefe fragt man ab) und wer machts. Ich denke, trotz des relativ einfachen Systems würde es ein ganzes Stück Arbeit bedeuten. Vor allem erstmal für denjenigen, der die Datenbank und die dazugehörigen Webseiten programmieren muss. Und dann müssen noch die Daten eingegeben werden. ersteres kann ich leider nicht leisten. Für zweiteres stünden wohl einige Helfer zur Verfügung (wie im Spinnen-Wiki).

Arno