Autor Thema: Seltsame Evarcha sp.  (Gelesen 17447 mal)

Michael Schäfer

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Seltsame Evarcha sp.
« am: 2014-01-24 15:36:13 »
Hallo Zusammen,

es geht um ein Evarcha Weibchen, welches Sylvia im Sommer
im NSG Weisser Berg in Brandenburg gesammelt hat und bei
dem ich völlig auf dem Schlauch stehe.

Die Epigynen-Struktur paßt meines Erachtens zu keiner bekannten
Evarcha-Arten und schon gar nicht zu den bei uns heimischen -
davon gibt es ja nicht viele. Am seltsamsten finde ich, daß bei der
Epigyne die typische sklerotisierte Platte scheinbar völlig fehlt, ja noch
nicht einmal in Ansätzen (wie bei E.laetabunda) vorhanden ist.

Ich hatte inzwischen auch einige Exemplare von E.arcuata, E.falcata
und E.laetabunda zum Vergleich unterm Bino (danke an Mario für letztere)
und habe irgendwie keine Ähnlichkeiten entdecken können.

Seltsam fand ich auf den ersten Blick schon die sehr untypische Färbung
des Opisthosoma, aber da ist ja bei Evarcha-Weibchen die Variabilität
bekanntlich sehr hoch.

So nun meine Fragen.

1. Übersehe ich hier evtl. irgendwas oder bin nur betriebsblind?

2. Ist bei einer der in Frage kommenden Arten die Variabilität der
   Genitalmorphologie sehr hoch und ich weiß es nur nicht? Dann könnte
   es ja sein, daß es sich hier um eine eher seltenere Variante handelt,
   alle Zeichnungen aber immer nur den Durchschnitt darstellen und ich
   deshalb keine wirkliche Übereinstimmung sehe.

3. Könnte es sich evtl. um eine Deformation/Mutation der Genital-Struktur
   handeln - falls so etwas denn möglich ist. Das wäre allerdings ziemlich
   blöd, denn in der Vergangenheit wurden ja auch schon Arten nur anhand
   eines Einzelexemplars beschrieben und auch da hätte es sich ja dann
   evtl. nur um derartiges handeln können.

Anbei Sylvias Foto vom lebenden Tier, dessen Epigyne und Vulva im
präparierten Zustand sowie eine kleine Gegenüberstellung der m.E.
in Frage kommenden Arten - E.jucunda schließe ich hier völlig aus,
deshalb fehlt sie auch in der Übersicht.

Liebe Grüße
Micha
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Arno Grabolle

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Re: Seltsame Evarcha sp.
« Antwort #1 am: 2014-01-25 14:47:14 »
Ja, die Epigyne sieht wirklich nicht nach Evarcha aus.

Kommen denn andere Gattungen in Frage, selbst wenn sie bei uns gar nicht vertreten sind. Ich kenne mich mit den unzähligen Springspinnen nicht so aus. Was sagt Mario? Heiko Metzner hat doch viele Arten auf seiner Seite abgebildet.

Eine Vertauschung der Epigyne während des Präparierens ist ausgeschlossen (sowas ist schon vorgekommen)?

Deformation bzw. unvollständige Ausbildung der Epigyne könnte ich mir schon vorstellen. Falls jetzt keiner sofort eine Lösung parat hat, würde ich einfach Sylvia bitten, den Schwerpunkt ihrer Sammeltätigkeit im kommenden Sommer auf das NSG Weißer Berg zu legen und hier insbesondere auf Evarcha-artige Springspinnen. Mit zwei-drei weiteren Exemplaren (und Männchen) lässt sich das sicher schnell aufklären. Eigentlich müsstest du doch selbst dort sammeln können?

Arno

Michael Schäfer

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Re: Seltsame Evarcha sp.
« Antwort #2 am: 2014-01-25 16:20:32 »
Hallo Arno,

Zitat
Kommen denn andere Gattungen in Frage, selbst wenn sie bei uns gar nicht vertreten sind.

An europäischen m.E. nicht.

Zitat
Was sagt Mario?

Der hat auch keine Idee.

Zitat
Heiko Metzner hat doch viele Arten auf seiner Seite abgebildet.

Wenn ich weltweit suchen müßte, hätte ich aber auf H.M. - Seite lange zu tun.
Ich habe ja noch nicht mal nen Ansatz, falls es sich wirklich um eine andere Gattung
handeln sollte, die wie auch immer ins tiefste Brandenburg gelangt ist. Ich kann
mir das ehrlich gesagt nicht vorstellen. Der Fundort war ja auch nicht irgendwo in
der Nähe von menschlichen Behausungen.

Zitat
Eine Vertauschung der Epigyne während des Präparierens ist ausgeschlossen

Das kann ich ausschließen - ich arbeite da wirklich sehr sorgfältig.

Zitat
...ich einfach Sylvia bitten, den Schwerpunkt ihrer Sammeltätigkeit im kommenden Sommer auf das NSG Weißer Berg zu legen...

Vielleicht ließt sie ja mit ;-)

Zitat
Eigentlich müsstest du doch selbst dort sammeln können?

Ich glaube nicht, daß ich in einem NSG sammeln darf. Außerdem ist es bei
mir im Moment etwas schwierig Exkursionen zu unternehmen, die mehr als 20 km
von hier entfernt sind :-)

Zitat
...unvollständige Ausbildung der Epigyne...

Daran hatte ich auch schon gedacht, wußte nur nicht, ob so etwas möglich ist.
Ich bin ja quasi Laie auf dem Gebiet und erst am Anfang meiner "wissenschaftlichen
Forschungstätigkeit".

Liebe Grüße
Micha

 




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Eveline Merches

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Re: Seltsame Evarcha sp.
« Antwort #3 am: 2014-01-25 17:41:06 »
Hallo Micha,
lass doch mal Heiko Metzner auf die Bilder schauen. Wenn Du die Mailadresse baruchst, such ich sie Dir raus.

liebe Grüße
Eveline
Ahme den Gang der Natur nach. Ihr Geheimnis ist Geduld.

Tobias

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Re: Seltsame Evarcha sp.
« Antwort #4 am: 2014-01-25 17:43:56 »
Der antwortet meist nicht mehr auf Mails weil er zuviel zu tun hat.

Tobias

sylvia #1

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Re: Seltsame Evarcha sp.
« Antwort #5 am: 2014-01-25 18:19:40 »
Hallo zusammen
Habe gerade diesen Thread gelesen und Heiko schon kontaktiert. Die Idee mit dem nochmals dort sammeln ist ganz gut, ich habe ja eine dauerhafte Ausnahmegenehmigung, die man dafür  dort auch zwingend braucht, nur weiß ich ehrlich gesagt nicht, ob sich das tatsächlich realisieren lässt, da ich ja immer nur für wenige Tage im Monat daheim bin.Ich würde es aber versuchen, wenn es denn weiter so spannend bliebe.  Vielleicht könntest Du  Micha ja dann  mal einen Tag mitkommen dahin ? (Das ist nur mit dem Auto zu erreichen und weit im Süden Brandenburgs)

Die Frage, die ich ja schon ganz am Anfang meiner "Spinnerei" hier mal zur Zuverlässigkeit dieser als so sicher dargestellten Methode der Genitaluntersuchung stellte, stellte sich mir auch sofort hier: Anatomie ist ein Feld mit vielen Abweichungen! Auch Menschen sind anatomisch äußerlich immer als solche zu erkennen aber ihre sekundären Geschlechtsmerkmale sind schon individuell sehr verschieden. Warum sollte das nicht auch bei Spinnen derselben Art so sein können?
Jetzt hoffe ich mal, dass Heiko reinguckt und vielleicht einen Tipp hat...
LG
Sylvia

Arno Grabolle

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Re: Seltsame Evarcha sp.
« Antwort #6 am: 2014-01-25 19:45:14 »
Hallo Sylvia,

so stark abweichen sollte das aber nicht. Ich habe schon starke Abweichungen der Genitalien gesehen, aber das hier wäre zu viel. Zumal (ihr habt Recht) die Spinne nicht so ganz typisch aussieht für eine E. falcata.

Die zugegeben etwas unwahrscheinlich klingende Möglichkeit der Erstentdeckung einer bisher unbekannten Evarcha-Art in Deutschland ist aber meines Erachtens Antrieb genug, die Sache weiterzuverfolgen und evtl. eine weitere Reise dort hin zu unternehmen. Ich hatte aber nicht gedacht, dass es so schweirig ist.

Ich bin gespannt, wie es weitergeht. Es gibt noch andere Springspinnen-Experten. Mit wem publiziert Mario seine Philippinen? Logunov?

Arno

Michael Hohner

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Re: Seltsame Evarcha sp.
« Antwort #7 am: 2014-01-26 10:32:21 »
Welche Anhaltspunkte gibt es denn, dass das überhaupt eine Evarcha ist? Die Zeichnung erinnert mich eher an Euophrys/Pseudeuophrys.

Michael Schäfer

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Re: Seltsame Evarcha sp.
« Antwort #8 am: 2014-01-26 12:09:38 »
Hallo,

schön, daß ich Euer Interesse geweckt habe.

@Sylvia und Eveline: Da bin ich aber gespannt, mir hat H.M. auf meine letzten
drei Anfragen jedenfalls nicht mehr geantwortet. Ich versuche es nun auch
nicht mehr.

Edit: Er hat mir vor langer Zeit auch mal geschrieben, daß er seine Meinung zu
einem Tier nicht in irgendeinem Forum lesen möchte...

@Arno: Auch Logunov hat meine letzten Anfragen ignoriert...

@Michael: Das ist m.E. nie im Leben eine Euophrys oder Pseudeuophrys.
Wie kommst Du denn darauf? Die sehen doch völlig anders aus.

Gruß
Micha
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John Osmani

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Re: Seltsame Evarcha sp.
« Antwort #9 am: 2014-01-26 13:28:13 »
Hallo,

schön, daß ich Euer Interesse geweckt habe.

@Sylvia und Eveline: Da bin ich aber gespannt, mir hat H.M. auf meine letzten
drei Anfragen jedenfalls nicht mehr geantwortet. Ich versuche es nun auch
nicht mehr.

Edit: Er hat mir vor langer Zeit auch mal geschrieben, daß er seine Meinung zu
einem Tier nicht in irgendeinem Forum lesen möchte...

@Arno: Auch Logunov hat meine letzten Anfragen ignoriert...

@Michael: Das ist m.E. nie im Leben eine Euophrys oder Pseudeuophrys.
Wie kommst Du denn darauf? Die sehen doch völlig anders aus.

Gruß
Micha

Hi Micha!

Ich möchte mich ja nicht in den Expertenstreit einmischen, aber ich finde so abwegig ist die Idee vom Kollegen Michael H. nicht-für mich sieht das durchaus ebenfalls nach einer Euophrys/Pseudeuophrys aus.

LG John


Michael Schäfer

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Re: Seltsame Evarcha sp.
« Antwort #10 am: 2014-01-26 13:59:00 »
Hallo John,

das hat nichts mit Expertenstreit zu tun, aber dieses Fischgrätenmuster
ist einfach typisch für Evarcha. Bei Euophrys oder Pseudeuophrys
hingegen ist mir keine europäische Art mit derartigem Aussehen bekannt.

Die Gattung Pseudeuophrys ist völlig überschaubar und keine der Arten
kommt auch nur annähernd in Frage. Sowohl genital als auch vom Habitus her.

Die Gattung Euophrys hat meist ganz typische Epigynen-Strukturen, die
aber anders aussehen. Außerdem sind Euophrys Weibchen im Gegensatz
zu ihren männlichen Gegenstücken sehr schlicht gefärbt, was auf unser Exemplar
nun wirklich nicht zutrifft.

Auch finde ich, daß die Epigyne schon teilweise Evarcha-typische Strukturen
aufweist - ich habe mal die auffälligste davon markiert .

Gruß
Micha


 
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Mario Freudenschuss

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Re: Seltsame Evarcha sp.
« Antwort #11 am: 2014-01-27 20:26:13 »
Hallo,

gibt ja die Uni Bern Seite, da kommt man gut zur Gattung. Wobei da wohl nichts anderes als Evarcha rauskommen wird.
Nichtsdestotrotz, geh mal den Schlüssel durch.
Auf der Seite von Heiko gibts übrigens auch einen ganz einfachen Schlüssel!

LG
Mario

Michael Schäfer

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Re: Seltsame Evarcha sp.
« Antwort #12 am: 2014-01-27 21:13:32 »
Hallo Mario,

ich hatte auch nie mit etwas anderem als Evarcha geliebäugelt. Das ist
ja aber genau das Problem - finde mal eine derartige Epi in dieser Gattung :-)

Gruß
Micha
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Martin Lemke

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Re: Seltsame Evarcha sp.
« Antwort #13 am: 2014-01-27 21:44:15 »
Wie groß ist das Exemplar denn?

Vielleicht hilft eine GEN-Analyse um wenigstens die grobe Richtung zu ermitteln. Nicht nur Genitalien können variant sein, ganz besonders auch Körperzeichnungen.

Martin
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Michael Schäfer

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Re: Seltsame Evarcha sp.
« Antwort #14 am: 2014-01-28 09:45:34 »
Hallo Martin,

es war 6mm groß.

Das Körperzeichnungen variabel sein können war mir ja bewußt, aber wenn jetzt
auch noch die Genitalien so sehr außer der Reihe tanzen können sollten, dann
wird es wirklich schwierig mit einer sicheren Bestimmung - zumindest bei Einzeltieren.

Das die GEN-Analyse scheinbar ja auch nicht das Allheilmittel ist, habe ich ja
in einem anderen Thread bereits verfolgen können.

Edit: Laut dem von Mario erwähnten provisorischen Gattungsbestimmungsschlüssel
auf Heiko Metzners Seite kommt man übrigens auch auf Evarcha.

Gruß
Micha
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Martin Lemke

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Re: Seltsame Evarcha sp.
« Antwort #15 am: 2014-01-28 10:32:28 »
Edit: Laut dem von Mario erwähnten provisorischen Gattungsbestimmungsschlüssel
auf Heiko Metzners Seite kommt man übrigens auch auf Evarcha.

Es ist natürlich unbefriedigend, wenn man dann zu keinem sicheren Ergebnis kommt. Was sind denn die entscheidenden Merkmale?

Grundsätzlich ist ja nicht auszuschließen, dass eine Art vor liegt, die nicht in angrenzenden Gebieten vor kommt, da Jungtiere per Ballooning sehr weite Distanzen überwinden können.  Bei der Uni Bern sind nicht die Merkmale aller europäischen Evarcha-Arten dokumentiert. Vielleicht sollte man mal in dieser Richtung nachforschen? Eine andere Idee habe ich auch nicht.

Martin
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Eveline Merches

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Re: Seltsame Evarcha sp.
« Antwort #16 am: 2014-01-28 13:35:03 »
Hallo,
da man davon ausgehen kann, dass Michael sehr genau arbeitet und recherchiert, scheint hier entweder eine neue Art, oder eine bekannte, zu der es gerade keine Beschreibungen gibt zu sein.
Auf jeden Fall meine ich, dass dieser Thread zu den "kniffeligen" gehört. Ich werde das mal dahin verschieben.

@Mario: Hast Du einen besseren Kontakt zu einem Springspinnenexperten? Wenn ja, könntest Du den mal aktivieren?

Ich werde versuchen, Herrn Metzner nochmals anzusprechen.

liebe Grüße
Eveline
Ahme den Gang der Natur nach. Ihr Geheimnis ist Geduld.

Rainer Breitling

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Re: Seltsame Evarcha sp.
« Antwort #17 am: 2014-01-28 14:58:58 »
Ein sehr interessanter Fall, den ich jetzt schon seit einer Weile verfolge. Ich frage mich, wie eine Evarcha-Epigyne wohl aussieht, wenn die Epigynenplatte fehlt, vielleicht durch einen "Unfall" vor der letzten Häutung. Besonders E. arcuata würde ich gerne daraufhin anschauen, weil deren Rezeptakula der Rätselspinne wohl am nächsten kommen. Vielleicht hat ja jemand genügend Material, um eine Operation zu versuchen. Oder ist die Idee zu abwegig?
Beste Grüsse,
Rainer

Mario Freudenschuss

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Re: Seltsame Evarcha sp.
« Antwort #18 am: 2014-01-28 17:45:08 »
Ist der Fundort so "speziell" dass ein Vorkommen einer neuen Art nur dort denkbar wäre. In der Regel sind ja die mitteleuropäischen Spinnen überall in Mitteleuropa verbreitet, von wenigen Arten abgesehen, die eben gewisse Ansprüche an die Umgebung stellen.
Irgendwie erinnert mich das an Marpissa balcanica, nicht vom Aussehen her sondern an die Tatsache, dass von der bis jetzt nur ein Weibchen (kein Männchen) existiert hat. Und die wurde auch schon 1932 beschrieben.

Gruß
Mario

Michael Hohner

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Re: Seltsame Evarcha sp.
« Antwort #19 am: 2014-01-28 21:54:24 »
Ich habe jetzt auch nochmal Heikos Buch durchgeschaut, und nichts gefunden was dieser Epigyne auch nur nahe kommt.

Rainer Breitling

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Re: Seltsame Evarcha sp.
« Antwort #20 am: 2014-01-29 14:12:11 »
Ein ähnlicher Fall ist möglicherweise Philodromus depriesteri: in den 50er Jahren wurden zwei Weibchen gefunden, in Geisenheim am Rhein und in Krimml im Salzburger Land. In den folgenden 60 Jahren wurde die Art nie wieder gefunden, und die Epigyne ist auch in diesem Fall sehr ungewöhnlich.
Beste Grüsse,
Rainer

Michael Schäfer

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Re: Seltsame Evarcha sp.
« Antwort #21 am: 2014-01-29 14:27:06 »
Hallo Rainer,

also ist meine Deformationstheorie vom Anfang wohl doch nicht so abwegig :-)

Um die Wahrscheinlichkeit einer Missbildung einordnen zu können, wäre allerdings interessant
zu wissen, ob viele derartige Fälle bekannt sind und ob diese auch als solche gedeutet worden
sind, oder ob sie, so wie bei Deinem Beispiel, fälschlicherweise als neue Art angesehen wurden.

Auch würden mich die Ursachen interessieren - Probleme bei der letzten Häutung hattest
Du ja schon als Möglichkeit erwähnt. Evtl. könnten ja auch Umwelteinflüsse eine Rolle spielen...

Gruß
Micha
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Mario Freudenschuss

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Re: Seltsame Evarcha sp.
« Antwort #22 am: 2014-01-29 16:50:31 »
Zitat
also ist meine Deformationstheorie vom Anfang wohl doch nicht so abwegig :-)
Sowas ist überhaupt nicht abwegig, abwegig ist vielleicht die extreme Deformation.
Was mich persönlich noch interessiert: ist die Epygine einer Spinne deformiert, dann wird man das Tier wohl an der Färbung bzw. Zeichnung erkennen können. Wie sollte man sonst zu einem Ergebnis kommen? Bei diesem Tier ist aber auch die etwas anders. Weiters sollte die Vulva aber meiner Meinung nach nicht so extrem verändert sein, oder. Sollte die Deformation von äußeren Faktoren abhängig gewesen sein, dann wird das im inneren kaum solche Veränderungen hervorrufen.
Fragen über Fragen ;)

LG
Mario

Michael Hohner

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Re: Seltsame Evarcha sp.
« Antwort #23 am: 2014-01-29 16:58:11 »
Wenn die Epigyne deformiert ist, dann doch erstaunlich symmetrisch.

Martin Lemke

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Re: Seltsame Evarcha sp.
« Antwort #24 am: 2014-01-29 17:47:36 »
Ich habe nun anhand der spärlichen hier gegebenen Informationen nochmal bei der Uni Bern geguckt. Mario hat schon Recht, wenn er fragt, welchen Sinn eine Determination noch hat, wenn man davon aus geht, dass sowohl der Habitus, als auch die Genitalstrukturen bis hin zu ihren Tiefen (Vulva) stark abweichen können1. Da stellt sich wirklich die Frage, ob man damit richtig liegt, sich auf Evarcha festzulegen.

Es wurde hier zwar schon mehrfach gesagt, dass alle Schlüssel zu Evarcha führen, aber es hat niemand dargelegt, nach welchen Kriterien (auch auf Nachfrage nicht). Ich habe jetzt einfach mal nach Genitalstrukturen geschaut. Der erst beste Treffer ist Macaroeris nidicolens (Link Wiki & Uni Bern). Vielleicht gibt es noch andere oder gar noch besser passende?

Wenn Zeichnung und Genitalien abweichen, ist das für ich ein Zeichen, dass man bei der falschen Gattung ist. Im Bestimmungsschlüssel der Uni Bern kam ich schnell nicht weiter, da ich bereits die Frage "8 Prosoma so breit wie lang" mangels Informationen nicht beantworten konnte.

Martin


1: So interpretiere ich seinen Satz: "Sowas ist überhaupt nicht abwegig, abwegig ist vielleicht die extreme Deformation. "
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Rainer Breitling

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Re: Seltsame Evarcha sp.
« Antwort #25 am: 2014-01-29 18:34:45 »
Wenn die Epigyne deformiert ist, dann doch erstaunlich symmetrisch.

Ja, das finde ich auch. Ich habe deshalb auch lange gezögert, diese Idee wieder ins Spiel zu bringen. Aber ich kann einfach nirgends eine ähnliche Epigyne finden. Die Philodromus depriesteri-Epigyne ist übrigens auch symmetrisch, und wurde sogar bei zwei Weibchen sehr ähnlich beobachtet, und da wird die Möglichkeit einer Missbildung ernsthaft diskutiert (Braun spekuliert in der Erstbeschreibung über eine "sexuelle Kümmerform").

Wenn die Anlage der Epigynen-Platte sehr früh verloren ging, könnte sich der Rest der Epigyne vielleicht relativ normal entwickeln. Aber ich spekuliere hier wild, ohne wirklich eine Lösung zu wissen.
 
Beste Grüsse,
Rainer
 

Mario Freudenschuss

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Re: Seltsame Evarcha sp.
« Antwort #26 am: 2014-01-29 20:22:58 »
Hier Antwort von Proszynski (innerhalb einer halben Stunde angekommen  ;) )

Zitat
Dear Mario,
I think your specimen may be Yaginumaella sp. n. - an Oriental genus containing 48 species. The difficulty with European Salticidae is that Oriental, Central Asian, African fauna are poorly known. From time to time we find a species, often single somewhere in Europe - presumably blown by the wind.
Best greetings
J. Proszyński

sylvia #1

  • Gast
Re: Seltsame Evarcha sp.
« Antwort #27 am: 2014-01-30 00:00:36 »
Hallo zusammen
Proszynski hat ja zu diesen viel publiziert und die - gezeichneten - Bilder der Epigynen mögen sich ähneln (das kann ich bei solcher Rarität wahrlich schwer einschätzen ) und diese hübsche Aufnahme hier zeigt Yaginumaella striatipes, die auch sehr eindrucksvoll gezeichnet ist...
http://www.youtube.com/watch?v=5__YmKQKCcU

Was mich aber wirklich wundert ist die Aussage, dass diese Spinnchen durch Ballooning von Japan bis hierher gelangen können. Gut sie können im Jetstream treiben auf bis zu 7000m Höhe aber bisher hatte ich nie etwas gefunden von Weiten die über die 500 km hinausgingen... vielleicht können die ja auch weiter dort oben treiben ?

Ich finde das alles unglaublich interessant!
Und ich würde ja gerade so gern in meine Aufzeichnungen und Fotos nochmals hineingucken, die sind aber auf meiner Sonderfestplatte daheim im Brandenburgischen und da komme ich erst demnächst wieder hin... Ich weiß, ich hatte mich dort über sehr helle, ziemlich "weiße" Evarchas - wie ich dachte - gewundert...aber da es immer mal farbliche Variationen bei den Spinnen einer Art gibt, es nicht als so etwas Besonderes angesehen aber dies schon als Überschrift im Post eingesetzt...
Hier noch der Link vom Juni dazu http://forum.spinnen-forum.de/index.php?topic=15072.0 ... bei den Fotos darin ist es die Salticide Nr.12, diese  besonders weiße!

Zu Deiner Frage /Bemerkung Mario betreffend des Fundortes: Das NSG Weisser Berg ist ein durch die geplante Ausweitung des Tagebaus Welzow Süd sehr gefährdetes Schutzgebiet http://www.mugv.brandenburg.de/cms/detail.php/bb1.c.339907.de
Es hat wie so oft in Brandenburg viele abwechslungsreiche Strukturen vom Sandtrockenrasen bis zu reinem Kiefernwald und ist ein doch recht abgelegenes Schutzgebiet mit vor allem botanischen Raritäten... ich werde versuchen da mal im Sommer nochmal hin zu fahren, die Genehmigung habe ich ja...
LG
Sylvia

Michael Schäfer

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Re: Seltsame Evarcha sp.
« Antwort #28 am: 2014-01-30 08:47:04 »
Hallo Martin,

laut Heiko Metzners Schlüssel:

Das Tier hat z.B. am Metatarsus des vierten Beinpaares 3 Stachelreihen und am
Metatarsus des dritten Beinpaares nur 2 Stachelreihe. Das Sternum ist kleiner
als das Labium. Das trifft in Europa nur auf die Gattungen:

Evarcha
Hasarius
Saitis

zu.  Die letzten beiden erlaube ich mir aus Erfahrungswerten und mangelnden
passenden Arten innerhalb der Gattungen auszuschließen. Ich lasse mich aber
natürlich auch gerne eine besseren belehren.

Deine erwähnte Gattung Macaroeris sollte am Metatarsus des vierten Beinpaares
nur 1 Stachelreihe haben. Außerdem passen die Epigynen dieser Gattung auch nicht
viel besser als beim Rest. Wo siehtst Du hier denn Ähnlichkeiten?

Die Schlüssel der Uni Bern sind im Übrigen mit Vorsicht zu genießen. Ich habe erst
letztens eine Fehler im Heliophanus gefunden, der nun behoben werden soll.
Unabhängig davon ist das Prosoma aber länger als breit - wie auch auf Sylvias Foto
zu sehen. Und auch in diesem Schlüssel komme ich eindeutig auf Evarcha.
4-> 8 -> 12 -> 15 -> 20 -> 23

Beide Schlüssel beziehen sich aber natürlich nur auf die europäischen Gattungen, wo wir
nun bei Mario wären:

@Mario: Das ist eine sehr interessante Theorie. Aber mal unabhängig von Proszynski,
wie siehst Du denn die Sache? Sieht für Dich denn irgendeine der Epi/Vulva-Zeichnungen
der Yaginumaella-Arten diesem Exemplar hier wirklich ähnlich? Evtl. kann ich das
Tier ja an Proszynski schicken, oder hat er immer noch Probleme mit dem durchs Bino
schauen?

@Sylvia: Schon wegen der botanischen Raritäten würde ich da evtl. doch mal mitkommen,
wenn es terminlich paßt.

Gruß
Micha
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Michael Hohner

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Re: Seltsame Evarcha sp.
« Antwort #29 am: 2014-01-30 11:05:46 »
Ich hab das hier mal durchgeschaut: http://salticidae.org/salticid/diagnost/yaginmel/yaginmel.htm

aber auch nichts wirklich passendes gefunden.