Forum europäischer Spinnentiere

Bestimmungsfragen (Determination) => Knifflige Determination (Difficult determination) => Thema gestartet von: Jonathan Neumann am 2017-05-17 23:56:51

Titel: Unklarer Spinnen-Kokon?
Beitrag von: Jonathan Neumann am 2017-05-17 23:56:51
Guten Abend Forum,

ich wurde gefragt, was das für Kokons seien und ich vermute mal Tetragnatha, seht ihr das genauso?

Zitat
Er ist farblich und strukturell so perfekt an den Lonicera xylosteum-Zweig angepasst, dass ich ihn erst auf den zweiten Blick bemerkt habe [...] entdeckt wurde er am 6. Mai in einem feuchten Wald der Region Hannover[...]Außerdem war der Kokon so fest, dass ich mich frage, wie die Spinnen den aufbekommen sollten...

Die letzte Frage würde mich auch interessieren, wie funktioniert das eigentlich? Denn auch die Kokons von Zygiella sind ja superfest, aber da sind die Maschen auch recht groß...

LG,
Jonatha

FOTOS: Tina Schulz
Titel: Re: Tetragnatha-Kokons?
Beitrag von: Simeon Indzhov am 2017-05-18 08:19:57
Nee, das ist denke ich kein Spinnenkokon überhaupt.
Könnte das aber eine Gottesanbeterinoothek sein?
Simeon
Titel: Re: Tetragnatha-Kokons?
Beitrag von: Jonathan Neumann am 2017-05-18 10:17:15
Doch doch, sie hat mir ein Foto gezeigt, mit den Spinnen-Nymphen und die Oothek unserer Mantis-Art sieht ganz anders aus.

LG,
Jonathan
Titel: Re: Tetragnatha-Kokons?
Beitrag von: Simeon Indzhov am 2017-05-18 12:07:20
Könntest du sie bitten, auch die Spinnen selbst dir zu schicken, so dass du sie hier postest? Soweit ich weiß, sehen die Tetragnatha Kokons anders aus (weiß und wollig). Aber jetzt stimme ich zu, das kann gut Spinnenkokon sein :) War vorher vom Handy und konnte nicht gut einschätzen
Titel: Re: Tetragnatha-Kokons?
Beitrag von: sylvia #1 am 2017-05-18 19:16:40
Hm, Jonathan ich habe zwar noch nicht oft einen Tetragnatha - Kokon gefunden (um ehrlich zu sein erst 2x) aber dies hielte ich auch nicht für einen (wie auch Simeon)!
Die, die ich selber gesehen habe sahen aus wie dieser :
http://artengalerie.makro-forum.de/displayimage.php?pos=-4824
Das ist finde ich übrigens ein geniales Foto, ich guck mir das gern an... kalenderreif ;-))) auch wenn man über die Artbestimmung nach schmalem Halm etwas schmunzeln muß...
LG
Sylvia
Titel: Re: Tetragnatha-Kokons?
Beitrag von: Frank van de Putte am 2017-05-19 15:55:12
Not a spider, I think it's Chalcolestes viridis :) They lay their eggs in branches above water.
https://waarneming.nl/waarneming/view/63056919


best wishes,
Titel: Re: Tetragnatha-Kokons?
Beitrag von: sylvia #1 am 2017-05-19 18:59:45
Yeah, thank you Frank for this tip to look Chalcolestes viridis!
Ja, Jonathan, denke mal Frank hat nun des Rätsels Lösung . Guck auch mal hier und scrolle zu "Besonderheiten"  http://www.libellenwissen.de/libellenarten/kleinlibellen/teichjungfern-lestidae/gemeine-weidenjungfer
LG
Sylvia
Titel: Re: Tetragnatha-Kokons?
Beitrag von: Arne Willenberg am 2017-05-19 19:57:36
Ja, das sind die Eigelege der Weidenjungfer Chalcolestes viridis unter Rinde!

Arne
Titel: Re: Tetragnatha-Kokons?
Beitrag von: Jonathan Neumann am 2017-05-19 21:08:26
Hallo Forum,

Erstens habe ich die Gelege der Weidenjungfer schon paar mal gesehen, die sehen deutlich anders aus, finde ich. Ausserdem war da gar kein Gewässer.

Zweitens erkennt man m.E. doch sehr die Wolle des Kokons und drittens wurde der Kokon geöffnet, siehe neues Foto. Prolarven der Weidenjungfer fallen damit weg. Die braunen Beulen sind ja auch aus Seide...

Neue Ideen? Tina meinte, dass sich die Nymphen nicht bewegt hätten, waren die tot?

Was issen mit der Dreiecksspinne? Son bisschen Uloborus-ähnlich sieht der Kokon ja aus...

LG,
Jonathan

EDIT: Um Restzweifel zu beseitigen hänge ich nochmal zwei original-Ausschnitte an.
Vermutlich waren die Vorgänger für die Fadenerkennbarkeit zu reduziert...
Titel: Re: Tetragnatha-Kokons?
Beitrag von: sylvia #1 am 2017-05-19 23:18:51
Hallo Jonathan
Zwar habe ich noch nie einen Hyptiotes- Kokon selber gesehen aber Fotos davon sehen auch anders aus. Ich finde weiterhin, dass es nicht wie ein Spinnenkokon aussieht. Tetragnatha-spec. ist es jedenfalls definitiv nicht. Vielleicht änderst Du zumindest mal die Fragestellung in "Spinnenkokon ?".
Mir zumindest erscheint die Erklärung von Frank richtig und Arne als Biologe! sieht dies auch so....
LG
Sylvia
Titel: Re: Unklarer Spinnen-Kokon?
Beitrag von: Jonathan Neumann am 2017-05-20 22:34:49
Hallo Sylvia,

sorry, ich stimme immer noch dagegen. Hier ein ganz frisches Foto aus meiner Utensilien-Kiste. DAS sind DEFINITIV Weidenjungfer-Sägespuren. Die Weidenzweige waren auch am Wasser, so wie es sich gehört. Bei dem oben erfragten Teil war gar kein Wasser in der Nähe.

Aber der Titel ist jetzt erstma geändert.

I hope Arne and Frank see what I mean now.

LG,
Jonathan
Titel: Re: Unklarer Spinnen-Kokon?
Beitrag von: Frank van de Putte am 2017-05-21 00:28:03
Yes, sorry, I think I was wrong Jonathan, this might be something else, but I have no idea..
I could post these pictures at a Dutch forum, with your permission!?

best wishes,
Titel: Re: Unklarer Spinnen-Kokon?
Beitrag von: Arne Willenberg am 2017-05-21 00:49:59
Hallo Jonathan,

wenn tatsächlich diese Larve in dem Kokon war, dann ist es tatsächlich keine Weidenjungfer. Auch habe ich die Gespinststruktur auf den Fotos nicht erkannt!
Ich hab leider keine weitere Idee.

Herzliche Grüße
Arne
Titel: Welcher Spinnen-Kokon?
Beitrag von: Tina Schulz am 2017-12-08 23:57:55
Hallo zusammen,

ich möchte den Thread mal wieder hoch holen.
So einen Kokon muss doch schonmal jemand gesehen haben - oder jemanden fragen können, der es vielleicht weiß.

Viele Grüße
Tina (Finderin des obigen Kokons)
Titel: Re: Unklarer Spinnen-Kokon?
Beitrag von: Jonathan Neumann am 2017-12-09 21:18:27
Hallo Tina,

schön mal wieder was von dir zu hören!

Ich denke da nach wie vor an Tetragnatha.

LG,
Jonathan
Titel: Re: Unklarer Spinnen-Kokon?
Beitrag von: Tina Schulz am 2021-01-28 15:07:57
Hallo zusammen,

könnte man diesen Thread vielleicht in das Forum "Knifflige Determination" verschieben?

Schönen Gruß,
Tina.
Titel: Re: Unklarer Spinnen-Kokon?
Beitrag von: Tobias Bauer am 2021-01-28 17:13:35
Ich habe eventuell die Lösung. Aus Wiehle (1953):

Der Eierkokon wird entweder an dünnen Zweigen oder an der Baumrinde angeheftet, er ändert dementsprechend seine Form. Die Eier (8—22 Stück) sind in ein weißliches, dichtes, etwa hülsenförmiges Gewebe eingeschlossen. Bedeckt ist dieses weiße Gespinst von einer schmutzig olivgrünen, pergamentartigen Schutzhülle, welche dunkle, querlaufende Erhöhungen zeigt. Die Jungen schlüpfen durch eine runde Öffnung aus. Die bräunlichgelben Eier sind nicht agglutiniert.

Aus dem Artartikel zu Hyptiotes paradoxus. Jonathan lag wohl mit der Familie richtig. Der Lebensraum passt auch.
Titel: Re: Unklarer Spinnen-Kokon?
Beitrag von: Tina Schulz am 2021-01-28 17:53:56
Hallo Tobias,

nach der Beschreibung sieht das ja wirklich sehr gut aus, danke!

Ich hänge eine Collage an, mit beiden lateralen und der dorsalen Ansicht des Kokons.
Falls der Kokon in eure Galerie Eingan finden sollte, wäre dieser kompakte Zusammenschnitt vermutlich am besten.

Schönen Gruß,
Tina.
Titel: Re: Unklarer Spinnen-Kokon?
Beitrag von: Jonathan Neumann am 2021-01-28 21:29:26
Das ist ja der absolute Hammer, davon wusste ich gar nichts mehr.

D.h. da suche ich dieser Tage mal ganz intensiv und melde mich, die Art ist in unserer Thujahecke gar nicht selten.

LG,
Jonathan
Titel: Re: Unklarer Spinnen-Kokon?
Beitrag von: Tobias Bauer am 2021-02-01 14:32:19
Echt, H. paradoxus sitzt in Berlin in der Thujahecke? Das ist stadtökologisch recht interessant. Thujas sind ja nicht nur nicht einheimisch, sondern auch von der Blattstruktur her recht exotisch. Wäre fast mal eine Untersuchung wert.
Titel: Re: Unklarer Spinnen-Kokon?
Beitrag von: Jonathan Neumann am 2021-02-01 18:39:31
Vorallem frage ich mich seit Jahren, wovon die da leben, der Lebensraum ist ja +/- klinisch tot (wobei auch Zilla diodia dort lebt).

Die Stützpunkte fürs Netz sind meistens an den stabileren oder toten Ästchen. Die Hecke ist ca. 20m lang und da leben so etwa 5-10 Individuen. Mich würde mal interessieren wie weit die in der Nachbarschaft verbreitet sind, aber da man da wirkllich in die Hecke gucken muss, und das am Besten nachts, isses schwierig.

Hier mal die Fotos aus dem Garten von vor 10 (!!!) Jahren:
https://forum.arages.de/index.php?topic=1586.msg56601#msg56601

Letzten Sepember war ich mal in einem extrem innerstädtischen Park (Tiergarten) klopfen und hatte ein Jungtier aus Buxus im Kescher, da war ich auch echt erstaunt.

LG,
Jonathan

Titel: Re: Unklarer Spinnen-Kokon?
Beitrag von: Michael Schäfer am 2021-02-01 20:49:47
Zitat
der Lebensraum ist ja +/- klinisch tot

Das kann ich so nicht bestätigen. Wir haben von dem Zeug leider einen "ganzen Wald" im Garten rumstehen und da habe ich schon eine Menge herausgeklopft. Spinnentechnisch sind das meist Thomisidae, Philodromus sp. oder Anyphaena accentuata. Aber auch Schönheiten mit weniger Beinen...

Gruß
Micha

PS: Falls OT bitte löschen :-)
Titel: Re: Unklarer Spinnen-Kokon?
Beitrag von: Simeon Indzhov am 2021-02-01 21:39:14
Meine Eltern mögen die Thuja auch gerne und haben etliche im Garten oder in Töpfen gepflanzt. Ich habe schon erfolgreich viele Spinnen und Insekten (einschließlich die von  Micha gezeigten zwei) daraus geklopft. Viele Cicadellidae leben dort, die von Spinnen gemocht werden - Zyginella pulchra, Zygina und Empoasca, Liguropia juniperi, usw., auch diverse Diptera - Chironomidae und Syrphidae (letztere z. T. wegen der Blattläuse), aus dem selben Grund auch Marienkäfer, weitere Wanzen wie Orsillus depressus ... Spinnen wie Mangora acalypha, Zilla diodia, Allagelena gracilens, Philodromus longipalpis, Macaroeris nidicolens leben an den Thujas. Hyptiotes paradoxus habe ich dort nicht gefunden, nur an anderen Bäumen in Parks, aber auch an jungen Fichten an Straßenrändern.
Titel: Re: Unklarer Spinnen-Kokon?
Beitrag von: Jonathan Neumann am 2021-02-01 23:01:58
schon gut schon gut, ich ziehe meinen voreiligen Kommentar zurück :D.

lg,
jonathan
Titel: Re: Unklarer Spinnen-Kokon?
Beitrag von: Tobias Bauer am 2021-02-02 09:10:38
Jonathan hat aber im Prinzip schon recht. Das sind ja alles recht eurytope, oft expansive, synanthrope Arten (Orsillus, Zyginella pulchra). Spinnen sind da eine Sondergruppe, da sie vor allem auf Struktur angewiesen sind. Wertgebende Arten findet man aber in einer Thujahecke kaum, zudem keine Bestäuber (vergleicht das mal mit einer Schnitthecke aus Liguster oder ilex aquifolium). Nichtheimische Pflanzen mögen für einige Insektengruppen interessant sein, sind aber für spezialisierte Herbivoren (https://doi.org/10.1111/j.1442-9993.2008.01836.x) oft uninteressant. Man darf zudem den negativen Effeckt von nichtindigenen, invasiven Pflanzen (auch wenn nicht direkt invasiv, Thuja plicata z.B. kann sich in Europa  in Wäldern reproduzieren (https://neobiota.pensoft.net/article/56027/)) auf Tiere allgemein nicht unterschätzen, den im Durchschnitt ist er meist negativ (https://doi.org/10.1111/gcb.13093), auch wenn mitunter einige Gruppen manchmal profitieren.

Tobias
Titel: Re: Unklarer Spinnen-Kokon?
Beitrag von: Jonathan Neumann am 2021-02-02 09:25:23
Das führt zwar gerade etwas weit weg von eigentlichen Frage (Spinnenkokon auf Zweig), aber folgendes kann ich mir nicht verkneifen:

Einige Arten, die auf Wachholder spezialisiert sind, nehmen Thuja gerne an und haben sich somit auch ausgebreitet. Die von Michael gezeigte Wacholder-Randwanze ist so ein Fall.

OT: Die Eichenschrecken sind räuber, ernähren werden sie sich von Thuja garantiert nicht :).

LG,
Jonathan
Titel: Re: Unklarer Spinnen-Kokon?
Beitrag von: Tobias Bauer am 2021-02-02 09:42:57
Das schreiben ja auch Proches et al. Einige wenige Arten schaffen den Sprung auf die neue Ressource, für viele Herbivoren ist das aber tatsächlich "totes Kapital". Betrachtet man kleine Gruppen, profitiert oft auch die eine oder andere wichtigere Art (https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/ddi.12397), oft Bestäuber. Im Durchschnitt überwiegen jedoch meist die negativen Effekte. Das ist ja auch logisch. Nichtindigene Pflanzen sind haben keine gemeinsame evolutionäre Geschichte mit dem Rest des Ökosystems. So werden sie auch nur von eurytopen Arten genutzt, Spezialisten fallen meist, bis auf einige, die z.B. an nahverwandte heimische Arten gehen, aus. Besonders problematisch ist es, wenn nichtindigene Arten diverse Pflanzengemeinschaften ersetzen (Rhododendroninvasion in England, verschiedene Kiefernarten in Südafrika, Opuntien in Australien), denn hier wird einer großen Menge an Arten der Lebensraum entzogen. Insgesamt braucht es da aber noch viel Forschung. Daher man Interesse an den Hyptiotes.
Titel: Re: Unklarer Spinnen-Kokon?
Beitrag von: Jonathan Neumann am 2021-02-02 09:51:15
Das Rhododendron n Problem ist, wusste ich gar nicht, danke.
Ja die Kiefern im Fynbos sind n gewaltiges Problem, da sie auch Wasser ziehen.

Zum Thema Wasser hätte ich noch ne andere frage, die den Bogen gerade noch weiter spannt:

Eingeführter Eukalpytus bzw deren plantagen sind ein gewaltiges problem, da sie mit ihrem großen Durst den grundwasserspiegel absenken. aber wenn Eukalyptus so durstig ist, warum beherrschen sie dann en trockendsten Kontinent. oder liegt es daran, dass einfach die "falschen Arten" eingeführt worden sind? (Der Rieseneukalyptus z.b kommt nur in nassen Wäldern vor).

Übrigens habe ich gestern das erste mal gesehen, dass Misteln auf Robinien wachsen, dabei bin ich jahrelang total oft an dieser Robinie vorbei gegangen. die Mistel wächst sogar besonders gut auf der Robinie, wegen dem zusätzlichen "Stickstoff-kick".

Lg,
jonathan
Titel: Re: Unklarer Spinnen-Kokon?
Beitrag von: Tobias Bauer am 2021-02-02 10:02:40
Das führt jetzt arg weit weg vom Thema. im Detail kenn ich mich da nicht aus. Invasive Arten verhalten sich im neuen Verbreitungsgebiet oft nicht so wie im Ursprungsgebiet. Zudem haben Bäume oft eine große/weite potentielle ökologische Nische, aber nur eine schmale/kleine realisierte (https://en.wikipedia.org/wiki/Realized_niche_width). Kann gut sein, dass die Gattung das Potential hat, viel Wasser nutzen zu können, wenn es verhanden ist, das aber nicht muss. Die Waldkiefer wächst ja auch an den extremsten Standorten heran, teilweise auch zu großen Bäumen. Im Garten auf guter Erde, mit viel Licht und Wasser kann man ihr aber fast beim Wachsen zugucken, weil sie hier ihr Potential ausspielen kann. Die Buche kann das nicht, sie fällt auf extremen Standorten meist aus.