Autor Thema: Canariphantes zonatus lucifuga  (Gelesen 3804 mal)

Martin Lemke

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Canariphantes zonatus lucifuga
« am: 2015-08-27 22:05:00 »
Simon, E. (1929). Les arachnides de France. Synopsis générale et catalogue des espèces françaises de l'ordre des Araneae; 3e partie. Paris 6, 533-772. – Seite 606:
VARÉTÉ. Céphalothorax fauve; un peu rembruni à la marge. Sternum noirâtre, abdomen blanchâtre testacé, passant en dessous au O"ris noirùtre. Pattes jaune testacé clair.
=> L. zonatus var. lucifuga


Übersetze ich (mit Hilfe translate.google) folgendermaßen:
Prosoma fahlgelb, am Rand leicht abgedunkelt, Sternum schwärzlich, Bauchseite weißlich, testracé nicht.

Das Wort "testracé" kann ich nicht übersetzen.

Kennt jemand die Beschreibung von Canariphantes zonatus und hat jemand eine Idee, was mit testacé gemeint sein muss?

Martin
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Jonathan Neumann

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Re: Canariphantes zonatus lucifuga
« Antwort #1 am: 2015-08-27 22:15:21 »
was meinst du denn genau? du schreibst einmal testacé und dann testracé.

Testacés scheinen Mollusken zu sein, wenn ich das richtig verstanden habe:
https://fr.wiktionary.org/wiki/testac%C3%A9

Soll heissen muschelschalenfarben? also in dem oben gennanten Link taucht u.A "terre cuite" auf, das ist ein warmer Braunton.

LG,
Jonathan
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Martin Lemke

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Re: Canariphantes zonatus lucifuga
« Antwort #2 am: 2015-08-27 22:46:24 »
Ohne 'r' – meine Tippfehlerrate ist zu meinem Überdruss in den letzten Jahren drastisch gestiegen und im Französischen ist meine Selbstkontrolle aufgeschmissen. Danke für die Berichtigung.

testacé ist richtig. 'Muschellschalenfarben' bringt mich nicht weiter, was für eine Farbe ist damit gemeint?

Martin
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Re: Canariphantes zonatus lucifuga
« Antwort #3 am: 2015-08-27 23:26:30 »
Wie oben beschrieben, anscheinend so ein warmer, heller braunton (terra cuite ist, wie ich im Nachhinein gelernt habe, Terrakota). Also sollte die Farbe in Richtung ocker/sepia/sandfarben gehen?

Leider bin ich kein Künstler. Ich hoffe unser Allround-Genie Rainer kann uns aus der Affaire ziehen :).

LG,
Jonathan
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Wolfgang Schlegel

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Re: Canariphantes zonatus lucifuga
« Antwort #4 am: 2015-08-27 23:35:08 »

   Hallo Martin,

bei Eugene Simon wird mit "testacé" offensichtlich ein Muster und keine Farbe bezeichnet; "abdomen blanchâtre testacé" wäre als "Hinterleib mit weißlichem Muschelschalenmuster" zu übersetzen, wobei man sich das Muster nicht wie ein Shell-Logo, sondern wie zwei auseinanderklaffende Schalen vorzustellen hat.

   Gruß aus Stuttgart
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Rainer Breitling

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Re: Canariphantes zonatus lucifuga
« Antwort #5 am: 2015-08-28 12:04:39 »
Über diese Farbe habe ich auch schon lange gegrübelt. "Muschelschalenfarbig" ist ja sehr ungewöhnlich. Aber wenn man genauer nachschaut, handelt es sich hier um eine falsche Fährte. Mit Muscheln hat testacé als Farbbezeichnung nur indirekt zu tun. Beide Bedeutungen des Wortes leiten sich vom lateinischen testa (=Ziegel, gebrannter Lehm) ab. Der Name des Schalentiers vermutlich via (Ton)Schale, also mit Bezug auf Form und Funktion, nicht die Farbe. Testacé (lat. testaceus, engl. testaceous) als Farbname heisst also ton- oder backsteinfarben. Das ist natürlich immer noch sehr vage, irgendetwas zwischen gelbbraun, rotbraun, gelbrot könnte passen. Wenn man sich die Verwendung des Wortes bei Simon und anderen Arachnologen anschaut (auch als Artname), scheint ockerfarben der beabsichtigten Farbe am nächsten zu kommen (blanchâtre testacé wäre dann blass ockerfarben und jaune testacé, ockergelb).

Die Beschreibung von Canariphantes zonatus findet sich an der gleichen Stelle in Simons Schlüssel; ausser der Farbe scheint es keine Unterschiede zwischen Höhlenform und Nominatform zu geben.

Beste Grüsse,
Rainer

Wolfgang Schlegel

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Re: Canariphantes zonatus lucifuga
« Antwort #6 am: 2015-08-28 17:57:19 »
    Hallo zusammen,

Rainer dürfte recht haben.

Ich hatte zunächst im Larousse-Wörterbuch nachgeschlagen, wo sich folgendes findet:

Zitat
Se dit de la livrée de certains insectes, qui a la couleur et l'aspect d'une coquille de bivalve

(in meiner Übersetzung: "So nennt man das visuelle Erscheinungsbild bestimmter Insekten, welches die Farbe und das Aussehen einer zweischaligen Muschel hat").

Womit mir aber immer noch nicht klar war, was gemeint ist - vom Aussehen einer zweischaligen Muschel hätte ich eine Vorstellung, nicht aber von der Farbe, da mir schon Muscheln in verschiedenen Farben vorgekommen sind (und "perlmuttfarben" wäre französisch "nacré"). Mir war das Wort zuerst in der Beschreibung eines Saitis-Weibchens untergekommen, und auf deren Hinterleib findet sich eine entsprechende Zeichnung. Ich versuchte dann erfolglos, dieses Adjektiv anderswo als in Bestimmungsschlüsseln zu finden.

Anscheinend haben auch französische Muttersprachler Schwierigkeiten damit; im Forum "Le monde des insectes" habe ich nun einen Thread gefunden, in welchem man zu dem Schluß kommt, dass in der Tat die Farbe von Terrakotta und damit ein rötlicher Ockerton gemeint ist. In diesem Forum findet sich jetzt als Begriffserklärung:

Zitat
en général en entomologie: qui rappelle la couleur de la terre cuite, ou – plus rarement – celle de certaines coquilles. / signifie aussi recouvert d'une écaille ou d'une coquille (en général en malacologie)

also etwa: "Im allgemeinen in der Entomologie: was an die Farbe von Terrakotta erinnert oder - seltener - an die Farbe bestimmter Muscheln. / bedeutet außerdem 'bedeckt von einer Schale' (im allgemeinen in der Malakologie)."

    Gruß aus Stuttgart

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Martin Lemke

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Re: Canariphantes zonatus lucifugus
« Antwort #7 am: 2015-08-28 20:19:14 »
Es beeindruckt mich, wie tief Ihr da recherchiert.

Zusammenfassend heißt folgendes "Céphalothorax fauve; un peu rembruni à la marge. Sternum noirâtre, abdomen blanchâtre testacé, passant en dessous au O"ris noirùtre. Pattes jaune testacé clair." jetzt was?

"Prosoma fahlgelb, am Rand leicht abgedunkelt, Sternum schwärzlich, Bauchseite weißlich, nicht okkerfarben." – Das ergibt für mich nicht wirklich Sinn. Vielleicht ist das auch nicht wirklich wichtig und es reicht Rainers Zusammenfassung: "Außer der Farbe scheint es keine Unterschiede zwischen Höhlenform und Nominatform zu geben", um nahezulegen, dass Canariphantes zonatus lucifugus lediglich eine Farbvariante, aber keine Unterart von Canariphantes zonatus ist, welche zudem seit der Beschreibung SIMONs nicht wieder aufgefunden wurde.

Martin
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Re: Canariphantes zonatus lucifuga
« Antwort #8 am: 2015-08-28 23:49:07 »
    Hallo Martin,

zunächst: 'abdomen' sollte man nur in humanmedizinischen Kontexten mit 'Bauch' übersetzen, bei Insekten ist das dritte Tagma gemeint und bei Spinnen das Opisthosoma (die Bauchseite wäre auf französisch 'ventre').

'O"ris noirùtre' ist vermutlich die Fehlleistung eines Texterkennungsprogramms; könnte 'gris noirâtre' heißen. Dann würde ich den Text
Zitat
Céphalothorax fauve; un peu rembruni à la marge. Sternum noirâtre, abdomen blanchâtre testacé, passant en dessous au gris noirâtre. Pattes jaune testacé clair.
unter der Voraussetzung, dass 'testacé' in 'rotocker' zu verdeutschen ist und im Rahmen meiner begrenzten Französischkenntnisse übersetzen als
Zitat
Prosoma fahlbraun; zum Rand hin etwas dunkler. Sternum schwärzlich, Opisthosoma weißlich-rotocker, darunter in ein schwärzliches Grau übergehend. Beine hell gelb-rotocker.

Ich muss gestehen, dass ich Schwierigkeiten habe, mir unter diesen rudelweise auftretenden Farben etwas vorzustellen.  Vielleicht sollte man statt 'rotocker' nur 'ocker' schreiben, dann liest sich das nicht so verstiegen. Eigentlich gibt es dafür das französische Wort 'ocre' - das bemerkenswerterweise von Simon nie verwendet wird.

Auch einige Franzosen im erwähnten Thread dachten darüber nach, dass 'testacé' etwas mit Zeichnungen oder Matt-/Glänzend-Eigenschaften zu tun haben könnte. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass Simon auf den Beinen eines zwergenhaften Linyphiiden hellgelbe Muschelschalen-Muster gesehen hat. Eventuell gelb mit hellem "Muschelglanz"?

   Etwas ratlose Grüße aus Stuttgart
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Rainer Breitling

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Re: Canariphantes zonatus lucifuga
« Antwort #9 am: 2015-08-29 13:59:48 »
Ich habe mir mal angeschaut, wie die deutschen Arachnologen, die Arten als X. testaceus beschrieben haben, die Farbe der Tiere in ihren Texten übersetzen. Ich denke, danach liegen wir mit ocker nicht ganz verkehrt.

Bertkau, Argenna testacea: lehmgelb
C.L. Koch, Mygale testacea: rostgelb
  Phidippus testaceus: goldgelb, rostgelb
  Ocypete testacea: ockergelb
Doleschall, Olios testaceus: lichtbruin (ndl. für hellbraun)

Von C. L. Koch gibt es auch Abbildungen der entsprechenden Exemplare, da ist der Gelbton recht deutlich.

Wie gesagt, mit Muscheln hat das alles nichts zu tun, auch wenn die Verbindung nahe liegt.

Beste Grüsse,
Rainer

Rainer Breitling

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Re: Canariphantes zonatus lucifuga
« Antwort #10 am: 2015-08-29 14:26:31 »
Die Färbung der Weibchen von C. z. lucifugus beschreibt Simon übrigens als "Blanc  testacé; abdomen vaguement rembruni olivâtre en dessous et en arrière." Das finde ich noch schwieriger zu übersetzen. Vielleicht "Bräunlich-weiss; Opisthosoma mit einem leichten olivbräunlichen Anflug ventral und am Hinterende"?

Gefunden wurde die Form nur in einer einzigen Höhle,  der Grotte de Juan in Südost-Frankreich.

Beste Grüsse,
Rainer