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Populationsgenetik und Morphologie von P. palustris und riparia-Populationen

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Tobias Bauer:
https://www.nature.com/articles/s41598-021-81788-2

Ivanov, V., Marusik, Y., Pétillon, J. et al. Relevance of ddRADseq method for species and population delimitation of closely related and widely distributed wolf spiders (Araneae, Lycosidae). Sci Rep 11, 2177 (2021).

Ganz interessant, denn der Artikel bringt die Unterartenthematik wieder ins Spiel, die bei Spinnen ja traditionell eher vermieden wird.


Tobias

Martin Lemke:
Könntest Du bitte zum besseren Verständnis für alle Nichtbiologen kurz erläutern, was der Unterschied zwischen einer Art und einer Unterart ist und wozu Unterarten definiert werden. Zum Schluss bitte auf die von Dir hier vorgestellte Pubikation zurück kommen. Der Text von Kaus ist mir auch nach Übersetzung ins Deutsche nicht verständlich; da fehlt mir einfach das Hintergrundwissen.

Martin

Simeon Indzhov:
Kurz gesagt: zwischen Arten (wo es Geschlechter gibt) gibt es reproduktive Isolation - d.h. Vertreter von zwei Arten kommen sehr schwierig dazu, Nachkommen zu produzieren, und diese sind meisr infertil. Unterarten sind konspezifisch (sie können sich kreuzen), es gibt aber klar getrennte und statische Merkmale, die die Populationen der verschiedenen Unterarten trennen, meist gibt es auch eine gewisse Isolierung (durch natürliche Barrieren usw.), manchmal gibt es allerdings eine schmale Kontaktzone wo "Mischlinge" entstehen. Warum Unterarten beschrieben werden - aus pragmatischen Gründen?
Simeon

Dies gesagt, ich habe die Publikation noch nicht gelesen. Das hier ist die klassische Definition von Art.

Viktoria Wegewitz:
Das kommt zwar aus der Botanikecke,  ist aber von Gregor Dietrich schön dargestellt, wie man sich streiten kann:

Oft müssen interessierte Gärtner erstaunt feststellen, dass das, was sie bisher für eine Art hielten, nun trotz kaum sichtbarer Unterschiede zwei Arten sein sollen, oder was sich gärtnerisch unterscheidet nun zur selben Art gehören soll. Auch unter Botanikern sind Artgrenzen oft strittig. Was also ist eine Art? Schon bei der Theorie zum Artbegriff gibt es Unterschiede. Beim Morphologischen, Essentialistischen oder Typologischen Artbegriff, dem ältesten Artbegriff, ist der Mensch das Maß aller Dinge. Grob gesagt: Was ich anhand morphologischer Merkmale unterscheiden kann, ist eine Art. Allerdings ist dabei oft die Frage, wie genau man hinschaut. Weiters gilt, dass zwei Sippen, die ich zwar unterscheiden kann, deren Merkmale aber überlappen, nur Unterarten sind. So wurden anhand dieses Artbegriffes früher auch „Arten“ unterschieden, bei denen es sich lediglich um auffällige, häufiger vorkommende Mutationen handelt. Andererseits wurden viele eigenständige Sippen nicht wahrgenommen.
Beim von Ernst Mayr begründeten Biologischen Artkonzept ist die Natur das Maß aller Dinge. Nach dem Motto: Was die Natur getrennt hat, soll der Mensch nicht zusammenlumpen – und umgekehrt. Leider wird dieser Artbegriff oft falsch verstanden, als „was fruchtbar kreuzbar ist, ist eine Art“. Das ist völlig unsinnig, denn etwa bei Orchideen oder bei Fischen sind fertile Hybriden sogar über Gattungsgrenzen hinweg möglich. Was zählt, ist, dass diese Hybriden unter natürlichen Bedingungen selten auftreten und Introgressionen – also Einkreuzungen anderer Arten – nur sehr begrenzt auftreten. Somit muss es eine Kreuzungsbarriere geben, diese muss aber keineswegs genetisch sein, sie kann auch ökologisch, geografisch, durch Bestäuber oder unterschiedliches Fortpflanzungsverhalten bedingt sein. Gibt es evolutiv eigenständige Sippen, die aber durch großräumige Übergänge verbunden sind, so spricht man von Unterarten. Das Hauptproblem ist in vielen Fällen die Beurteilung, was eine natürliche Trennung ist, da es für jede Sippe eine eigene Beurteilung braucht, die arbeits- und kostenintensiv ist – ein Einwand, den man etwa unter den bei wikipedia angeführten, teils lächerlichen Einwänden nicht findet.
Schließlich bleibt der Phylogenetische oder Evolutionäre Artbegriff. Grob gesagt ist alles eine Art, was einen eigenständigen Genpool hat. Etwa nicht unterscheidbare isolierte Populationen von weitverbreiteten Arten, die, aus der Isolation geholt, sofort in ihrer „Stammart“ genetisch aufgehen. Was (noch) keinen eigenständigen Genpool hat – etwa eine durch Verdoppelung des Chromosomensatzes jüngst aus einer anderen Sippe hervorgegangene, mitunter gut unterscheidbare Sippe, die mit jener nicht mehr fruchtbar kreuzbar, und damit von ihr natürlich getrennt ist – ist keine Art. Unterarten sind in diesem Artkonzept nicht vorgesehen.

Tobias Bauer:
Das ist hier schon gut erklärt. Ich kann das leider nicht weiter ausführen, das würde mich zuviel Zeit kosten.

Tobias

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