Autor Thema: Anatomisch richtig zeichnen  (Gelesen 13621 mal)

Martin Lemke

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Anatomisch richtig zeichnen
« am: 2018-02-07 07:10:41 »
Angeregt durch die Kritik an den schlechten Genitalzeichnungen von Günter Schmidt, die ja nicht den Zweck hat, Schmidt zu verhöhnen, möchte ich noch eine positive Wendung ins Spiel bringen. Schmidt zeigt uns, was beim Genitalzeichnen alles schief gehen kann:

* zu stark vereinfacht (weg gelassene Details)
* gequetschtes und damit verformtes Präparat
* fehlende Teile (abgerissene Spermathek)
* ...

Allerdings muss ich selbstkritisch anmerken, dass ich all meine Versuche, Epigynen oder Pedipalpen zu Zeichnen, bisher wieder verwerfen musste. Wie findet man den den Einstieg in diese Kunst? Was gibt es für Techniken? – Von Heiko Metzner (Salticidae) weiß ich, dass er sklerotisierte Zeile immer mit Tusche gezeichnet hatte; das hatte er mal erzählt. Jørgen Lissner hat das Open scource-Vektorprogramm Inkscape (Wikipedia) verwendet, was ich jüngst in einer seiner Publikationen las.

Aber all das sind weiterführende Techniken. Für den Anfang fehlt mir noch immer der Schritt zur formsicheren Übertragung der Strukturen auf Papier. Ich denke die wenigsten zeichnen das freihändig. Benutzen alle einen Zeichentubus?

Martin
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Arno Grabolle

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Re: Anatomisch richtig zeichnen
« Antwort #1 am: 2018-02-07 10:25:42 »
Ich war die letzten Tage wegen eines Infekts krank geschrieben und hatte viel Zeit. Gleichzeitig gibt es die Diskussion um Scotophaeus. Da kam mir die Idee, die bekannten S.-Arten mal übersichtlich nebeneinander darzustellen (zumal ich viele selbst im Bestand habe).

Ich finde immer noch, dass ich zu viel „ausmale“ und stellenweise stärker vereinfachen müsste.
reine Linien-Grafiken ganz ohne Füllungen/Schattierungen funktionieren meiner Meinung nach nur begrenzt (nur in bestimmten Fällen). Viele Epigynen mit durchscheinenden Elementen und plastischen Strukturen sind rein linear kaum darstellbar.

Ein Problem bei den Palpen sind für mich auch immer die Haare. Stellt man sie dar, lässt man sie weg? Es ist nicht leicht, eine klare Grenze zu finden, zwischen „großen, wichtigen Haaren“ und „unwichtigen“, die man weglassen kann.
Im Fall von Scotophaeus ist mir beim Zeichnen z.B. aufgefallen, dass sich das Behaarungsmuster an der Spitze des Cymbiums zwischen quadripunctatus und scutulatus signifikant unterscheidet (bei ersterer bleibt ein unbehaartes Dreieck frei).

S-quadripunctatus.jpg
*S-quadripunctatus.jpg (115.34 KB . 800x731 - angeschaut 2276 Mal)

Gonatium rubens


Die Technik hatte ich ab und zu schon mal erklärt: Grundlage sind Mikroskop-Fotos. Diese werden in PS mithilfe eines digitalen Grafikbildschirms (Wacom) und einem speziellen elektronischen Stift durchgezeichnet. Dabei muss ich aber das Original zum Vergleichen unterm Bino immer wieder anschauen. Viele Details sieht man auch auf sehr guten Fotos nicht, bzw. muss man das Objekt räumlich betrachten und drehen usw., um überhaupt zu verstehen, wie die einzelnen Bestandteile zusammenhängen und funktionieren. Es ist erstaunlich, was man im Laufe dieses Prozesses alles noch lernt über den Bau eines Ped. oder Epigyne.

Der 1. Pedipalpus einer Gattung ist immer der schwierigste, weil man wirklich noch viel verstehen und erforschen muss. Die weiteren, nahe verwandten Arten gehen dann viel schneller, weil man im wesentlich weiß, wo welche Bestandteile liegen. Dann macht es auch richtig Spaß, weil die feinen Unterschiede auffallen.

Arno

Simeon Indzhov

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Re: Anatomisch richtig zeichnen
« Antwort #2 am: 2018-02-07 10:30:59 »
MMn ist es wichtig, dass man in erster Linie liest - also dass man mit der Anatomie der Gruppe bekannt ist, und weiß was wie heißt und was wo entspringt. Und man muss es raussuchen, erkennen und möglichst korrekt darstellen. Auch bei Gruppen, mit denen man sich nicht auskennt, muss man die wichtigsten, bei Allen Spinnen vorhandenen Details sich aussuchen und mit denen anfangen, zT um eine Vorstellung für dir Struktur des Organs zu bekommen (Embolus, Konduktor - falls vorhanden; Tegulum, Subtegulum, Spermatheken, Begattungsgänge bei Entelegynae). Und dann muss man sie mit klaren Umrissen zeichnen - auch wenn man wie ich mit einfachen Bleistift auf Papier ohne Zeichenubus direkt vom Okular abzeichnet, so dass sie nicht miteinander verwaschen, sklerotisierte Teile am besten verdunkeln, und Ebenen klar abgrenzen - durch Perspektive usw. Auch wenn die Zeichnung alle sichtbaren Details enthält, soll sie nicht zu kompliziert sein, sondern zumindest ein wenig vereinfacht, so dass die Teile nicht verschmelzen - es sind ja Skizzen und kein Impressionismus ;) : man müsste zumindest wie Caravaggio zeichnen, präzise und realistisch :D

Ich hänge eine Zeichnung vom Palpus von Inermocoelotes kulczynskii an (meine Modellart für Genitalien-Zeichnen) von leicht verdrehter ventral-prolateraler sowie von retrolateraler Perspektive. Die Proportionen schätze ich am meisten beim Zeichenprozess nur ein, oder vergleiche ungefähr mit anderen Teilen des Organs. Bei mir kommt es leider manchmal vor, dass ich Details wegen mangelnder Optik fehlinterpretiere, aber ich denke, bei diesem Tier ist alles grundsätzlich korrekt.

Simeon


Bastian Drolshagen

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Re: Anatomisch richtig zeichnen
« Antwort #3 am: 2018-02-07 10:56:47 »
hi,
in dem Zusammenhang sicher empfehlenswert:

Holzenthal, R. W. 2008. ADOBE ILLUSTRATOR A Tutorial for Entomologists. University of Minnesota, St. Paul.

Schwirrte als pdf im Netz rum und wenn man Glück hat findet man es noch. Wie es scheint hat der Autor es von seiner Seite bei der Uni Minnesota runtergenommen.
Grüße,
        Bastian

Rainer Breitling

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Re: Anatomisch richtig zeichnen
« Antwort #4 am: 2018-02-07 11:11:56 »
Ich sehe das wie Simeon und Arno: das Wichtigste ist, die Mechanik der dargestellten Organe richtig zu verstehen. Erst bei meinen Zeichenversuchen ist mir so richtig klar geworden, wie schwierig das ist und wie viel man da fehlinterpretieren kann. Eine gute Zeichnung ist keine Fotoalternative, sondern eine klare Interpretation, eine wissenschaftliche Hypothese, wie die dargestellten Teile zusammenhängen und funktionieren. Photorealistische Zeichnungen sind also nicht das Ziel. Linienzeichnungen mit selektiver Schattierung sind möglichst unzweideutig; aber das ist vielleicht ein Grund, warum manche Autoren Fotos bevorzugen: da kann man nichts falsch machen, aber das macht sie in gewisser Weise auch weniger interessant.

Um das nötige Verständnis zu entwickeln, ist es, wie Simeon sagt, essentiell, dass man die passende Literatur liest, nicht nur Bestimmungswerke, sondern vor allem Analysen der Genitalmechanik der betreffenden Gruppe. Diese Arbeiten sind in der Regel sehr spärlich vorhanden (und alle im WSC zu finden).

Und die genaue mikroskopische Untersuchung, z.B. in Nelkenöl / Methylsalicylat oder am Kalilaugepräparat, ist auch hilfreich, gerade bei Arten, die man eigentlich auf den ersten Blick erkennt und die in der Literatur bereits detailliert besprochen wurden. Wenn man dann versuchen will, selber darzustellen, wie die beweglichen Elemente verbunden sind, und wie die entscheidenen internen Gangsysteme verlaufen, merkt man schnell, was für eine Heldenleistung die anatomisch korrekten Zeichner vollbracht haben, aber auch, wie wenig informativ manche ästhetisch ansprechenden Bilder sein können.

Ein zweites Element, wie ich versuche, meine eigenen Zeichnungen zu verbessern, ist dann auch die Suche nach guten Vorbildern (deswegen auch meine Kommentare zu Schmidts zeichnerischem Werk). Meine persönlichen Klassiker hatte ich ja schon erwähnt: Blauvelt (1936), Wiehle (1937), Machado (1941), Tullgren (1944), Lohmander (1945) und Miller (1947). Auch in der modernen Literatur gibt es grosse Unterschiede in Stil und Qualität, und man muss wohl seine eigenen Favoriten finden. Für mich gehören dazu zum Beispiel Barbara Knoflach, Ingmar Weiss, Antoine Senglet, und die leider viel zu wenigen Zeichnungen von Hans-Bert Schikora. Vielleicht hat ja der eine oder andere noch weitere Kandidaten zu nominieren?

Beste Grüsse,
Rainer

Simeon Indzhov

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Re: Anatomisch richtig zeichnen
« Antwort #5 am: 2018-02-07 11:39:49 »
Ein meiner Favorite ist und bleibt X.-P. Wang (zB Wang 2002, Wang et al 2010). Das sind meine Vorbild-Arbeiten bei der Auseinandersetzung mit Inermocoelotes und Coelotinae insgesamt. Wang zeichnet übersichtlich, realistsch, "dreidimensional" und trotzdem nicht überkompliziert. Zusätzlich ist jedes Element klar am nicht-expandierten Palpus benannt, und einheitlich bei allen Arten und Gattungen dargestellt, was auch Vergleichsmöglichkeiten liefert.
Bei De Blauwe dagegen scheinen einige Details dagegen vereinfacht oder weggelassen zu werden, die für mich von Interresse wären, auch wenn sie nicht direkt bestimmungsrelevant sind (zB sichtbare Dorsalapophysen bei Coelotinae) - auch wenn ihre Zeichnungen weitgehend korrekt sind.

Der Kontrapunkt zu Wang ist Danişman (s.auch hier), der sich zT auch mit Coelotinae auseinandersetzt, und die obigen zwei Männchen beschrieben hat (neben Illustrationen der Weibchen). Von der Identität des "C. sinopensis"-Weibchens abgesehen, scheint es auch, dass seine Abbildungen nicht ausgesprochen wert sind: bei den "Zeichnungen" handelt es sich lediglich um schlecht bearbeiteten Fotos, wo man noch schlechter sieht, und einige Details der sowieso nicht perfekten Fotos fehlen. Zusätzlich gibt es falsch beschriftete Komponente (spermathecal heads bei "C.sinopensis" usw). Da ich am besten bei Coelotinae einschätzen kann, wer wie gut beschreibt, kann ich sagen, dass dieser Autor sein eigenes Material nicht kennt bzw nicht analysieren kann. Eine Beschreibung besteht nicht einfach darin, dass man irgendwelche Zeichnungen liefert

Martin Lemke

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Re: Anatomisch richtig zeichnen
« Antwort #6 am: 2018-02-07 12:38:40 »
Holzenthal, R. W. 2008. ADOBE ILLUSTRATOR A Tutorial for Entomologists. University of Minnesota, St. Paul.

Alles, wo 'Adobe illustrator' enthalten ist, führ natürlicherweise zu einer Fülle von Links, die nicht die richtigen sind. Wenn Du das Paper nicht hast und mir mailen kannst, werde ich darauf verzichten müssen.1 Allerdings werde ich auch nicht das Programm Illustrator erwerben wollen; Wiehle hat es schließlich auch nicht benutzt. Dann werde ich es wohl mal mit dem Zeichentubus versuchen.

Da beim Fotografieren, wenn man nicht gerade einen besonders toller Stack gelungen ist, meist auch Detailverluste zu beklagen hat, stehe ich Arnos Lösung etwas zweigeteilt gegenüber. Das Prinzip klingt erstmal nicht schlecht; allerdings hatte ich mir vor Jahren mal einen Leuchttisch gekauft (A4, also nichts teures), um ausgedruckte Epigynen auf Transparentpapier durchzuzeichnen, aber das klappte nicht, weil ein Foto nicht genügent Kontrast hat.

Per Augenmaß vom Bino abzuzeichnen, bekomme ich definitiv nicht hin. Dazu kommt es viel zu sehr auf Präzision an.

Die Zeichnerei scheint also sehr viel aufwändiger zu sein, als ich dachte. Aber die Aussicht, die Zusammenhänge dadurch endlich mal zu verstehen, ist vielleicht nicht schlecht. Mal schauen.

Etwas Literaur habe ich aber jetzt bekommen können. Einem namhaften Arachnologen sei gedankt: Kraus O 1968: Eine wenig bekannte Technik des wissenschaftlichen Zeichnens. Natur und Museum 98: 155-160.

Martin

1: Hat sich erledigt. Hab' es jetzt.
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Re: Anatomisch richtig zeichnen
« Antwort #7 am: 2018-02-07 12:40:15 »
@Rainer: Ich sehe, du stehst auf diese leichten, fast linearen Grafiken mit ganz spärlicher Schattierung und ganz schwarzen Accenten (Emboli, Augen etc.). Der Stil gefällt mir auch sehr gut, habe es selbst leider noch nicht so ganz hinbekommen. Aber mal sehen ...
Danke für die Auflistung. Mir sind immer mal gute Grafiken über den Weg gelaufen (z.B. die von H.-B. Schikora), aber wenn man dann in einem anderen Moment danach sucht, weiß man nicht mehr wer und wo.

Was ist mit Bernhard Hubers Pholciden-Illustrationen (z.B. Link)?

@Simeon: Wang finde ich auch ganz gut, allerdings hat er in meinen Augen zu viel und zu gleichförmig schattiert. Alles ist grau-in-grau. Z.B. finde ich es unnötig, das komplette Cymbium, Tibia usw. mit zu schattieren. Ich habe mir nun schon folgende Regen gesetzt: Schattiert werden nur Teile, die zum Bulbus-Alpparat gehören und außerhalb dessen, die bestimmungsrelevant sind (z.B. Apophysen).

Am Ende sollte bei dieser Diskussion vielleicht ein Leitfaden heraus kommen, mit dem jeder/e hier Grafiken erstellen kann?

Apropos: Die Illustrationen von Harald haben sich auch weiter entwickelt und sind in vielen Fällen inzwischen sehr gut.

Arno

Martin Lemke

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Re: Anatomisch richtig zeichnen
« Antwort #8 am: 2018-02-07 12:43:55 »
Am Ende sollte bei dieser Diskussion vielleicht ein Leitfaden heraus kommen, mit dem jeder/e hier Grafiken erstellen kann?

Ja, das wäre prima. Ich hoffe, es bleibt nicht wie bei der Broschüre für Dermatolgen und Ärzte, im Ideen-Stadium stecken.

Am besten ich fange mit weniger komplexen Arten an. Da ist ja noch ein Xysticus-Artikel, der auf Veröffentlichung wartet.

Martin
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Re: Anatomisch richtig zeichnen
« Antwort #9 am: 2018-02-07 12:48:12 »
@Martin: Statt des Illustrators kannst du natürlich auch jedes beliebige kostenlose Vector-Toll verwenden (wie Icscape). Der AI beherrscht dankenswerter Weise seit einigen Versionen ein Liniendicken-Modulationstool. Das klingt erst mal nach Spielerei für Comic-Tusche-Outlineeffekte, kann bei der Darstellung von Genitalien aber durchaus hilfreich sein. Damit lassen sich die Haare als einfache Linien zeichnen, die sich (per Eigenschaft) einfach von innen nach außen auf 0 verjüngen. In Bastians Zeichnungen von vor ein paar Jahren (da konnte das AI wahrscheinlich noch nicht) waren die Haare distal alle genauso dick wie am Ansatz.

Du hast Recht mit dem Detailverlust. Deswegen kann ich die Grafiken ja auch nicht ohne das Original herstellen. Das Foto dient eigentlich nur dazu, die Teile und Proportionen naturgemäß wiederzugeben. Für viele Details muss man dann durchs Bino schauen.

Arno

Martin Lemke

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Re: Anatomisch richtig zeichnen
« Antwort #10 am: 2018-02-07 13:02:58 »
Illustrator kostet in der Creative Cloud fast 24 €/Monat – das nutze ich nie im Leben aus. Zum Vergleich: Photoshop & Lightroom: 10 €/Monat.

Martin
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Arno Grabolle

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Re: Anatomisch richtig zeichnen
« Antwort #11 am: 2018-02-07 13:12:52 »
Wie gesagt, muss ja nicht sein. Vllt. beherrscht Incscape das auch.

Übrigens: Im Vektorprogramm würdest du auch so arbeiten (wie ich in PS): Foto drunter legen und mit Vektoren eine Eben drüber nachzeichnen.

Arno

Simeon Indzhov

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Re: Anatomisch richtig zeichnen
« Antwort #12 am: 2018-02-07 13:15:29 »
@Arno: auch wenn Wang alles schattiert, finde ich das kein Problem: das senkt die Übersichtlichkeit nicht, und es gibt ja auch keine tiefschwarzen Details, die die Wahrnehmung stören würden.

Huber hat eigentlich auf seiner Seite www.pholcidae.de seine Vorgehensweise kurz vorgestellt (Link "Scientific drawing)

Martin Lemke

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Re: Anatomisch richtig zeichnen
« Antwort #13 am: 2018-02-07 13:45:53 »
Huber hat eigentlich auf seiner Seite www.pholcidae.de seine Vorgehensweise kurz vorgestellt

Also arbeitet er mit einem Zeichentubus.

Martin
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Michael Schäfer

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Re: Anatomisch richtig zeichnen
« Antwort #14 am: 2018-02-07 14:37:39 »
Weil es gerade zum Thema passt:

Using Inkscape for Biological IllustrationA Guide for Entomologists, Taxonomists, and Other “On the Cheap”

https://pdfkul.com/burington2017inkscapebiologicalillustrationv10pdf-google-_59bcc1371723ddeae8495fa6.html

Gruß
Micha
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Arno Grabolle

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Re: Anatomisch richtig zeichnen
« Antwort #15 am: 2018-02-07 17:35:50 »
Hier noch mal etwas analytischer.

S-quadripunctatus2.jpg
*S-quadripunctatus2.jpg (78.92 KB . 800x698 - angeschaut 1087 Mal)

Arno

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Re: Anatomisch richtig zeichnen
« Antwort #16 am: 2018-02-07 19:34:33 »
Und hier mal im Vergleich mit scutulatus.

S-quadripunctatus-scutulatus.jpg
*S-quadripunctatus-scutulatus.jpg (143.39 KB . 800x1332 - angeschaut 1408 Mal)

Arno

Rainer Breitling

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Re: Anatomisch richtig zeichnen
« Antwort #17 am: 2018-02-08 08:58:57 »
Was ist mit Bernhard Hubers Pholciden-Illustrationen (z.B. Link)?
Unter den Halbtonzeichnern ist Huber sicher unübertroffen. Seine Originalzeichnungen werden ja mit Recht in Bonn als Museumsexponate präsentiert. Persönlich finde ich sein Frühwerk aber noch ansprechender, zum Beispiel in den Arbeiten zu Nesticus, Anyphaena/Clubiona, und zur Evolution der Retrolateralen Tibiaapophyse. Da geht es um die Darstellung der funktionellen Mechanik der Organe in bemerkenswerter Klarheit, und interessanterweise scheint er dafür noch durchgehend die Punktiertechnik zu verwenden.
Beste Grüsse,
Rainer 

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Re: Anatomisch richtig zeichnen
« Antwort #18 am: 2018-02-08 09:08:38 »
Vielleicht auch interessant: Mike Roberts hat vor einigen Jahren eine kurze Beschreibung seiner Zeichentechnik veröffentlicht: http://www.wsc.nmbe.ch/reference/7358 . Er kommt ganz ohne Computer oder Zeichentubus aus.
Beste Grüsse,
Rainer

Martin Lemke

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Re: Anatomisch richtig zeichnen
« Antwort #19 am: 2018-02-08 09:54:41 »
Auch wenn ich mir gewiss sein kann, dass Bernhard seine Zeichnung in nicht in 15 Minuten fertiggestellt hat, kann ich an dieser Qualität des Frühwerkes fast kapitulieren. Aber ich kann mich ja beruhigen: Ein Lernprozess braucht Zeit. Bei Leuten, die auf die 60 zu gehen, erst recht.

Ich habe heute mal wieder meinen Zeichentubus montiert (den gab 's mal vor ein paar Jahren gebraucht zum günstigen Kurs bei Ebay). Wie man auf dem Foto sieht, ist der Rechtsausleger natürlicherweise stabilitätsmäßig etwas heikel. Zumal mein Bino zwecks besserer Sitzhaltung auf einem Holzsockel steht. Über den Zeichentubus wird die Zeichnung über das Bild im Bino gespiegelt. Beim Nachzeichnen bewirkt die kleinste Abweichung der Einspiegelungsposition, dass ein neu angesetzter Strich nicht dort beginnt, wo er es muss. Man muss da höllisch aufpassen. Arbeiten mit dem Zeichentubus ist also nicht wie Malen nach Zahlen.

IMG_8579.jpg
*IMG_8579.jpg (172.75 KB . 533x800 - angeschaut 933 Mal)

Im nächsten Versuch werde ich mal versuchen, nur die Eckpunkte der Proportionen zu übertragen. Gleich mal alles aller Schärfeebenen abzuzeichnen, ging bei mir im ersten Versuch gründlich schief. Von der letzten Foto-Session lag noch die Vulva von M. segemtata im Blockschälchen. Also musste diese herhalten.

IMG_8580.jpg
*IMG_8580.jpg (84.45 KB . 800x533 - angeschaut 1052 Mal)

Ich habe versucht im Nachhinein mit Farbmarkierungen das Striche-Chaos etwas erklärbar zu machen. Gelb markiert ist eine durchsichtige Membran, welche plan über den Strukturen liegt. Lila ist die Spermathek, welche aus zwei räumlich über einander angeordneten, ineinander übergehenden, Knoten besteht. Daneben ragt eine zur Oberfläche hin spitz zulaufende Struktur empor (hellbraun), welche in der Tiefe ins Nichts überzugehen scheint. Das alles ist in der Skizze nicht zu erkennen. Schon gar nicht im linken Teil, wo (wie oben beschrieben) durch Bewegung irgend welche Bino-Teile die Ansätze für die Linien verloren gegangen sind.

Ich muss noch vieles lernen und ausprobieren.

Da tröstet es nicht, dass das Foto auch nicht besser ist (Nikon mit verdrecktem Sensor). Ganz im Gegenteil. Dunkel schattierte Bereiche, die nicht zur Spermathek gehören, lassen sich auf dem Foto nicht von ihr abgrenzen.

_DSC5889.jpg
*_DSC5889.jpg (89.64 KB . 800x533 - angeschaut 907 Mal)

Die spitz zulaufende Struktur ist im Foto zu erahnen und somit der Vorteil von Zeichnungen gegenüber Fotos, so die Zeichnungen denn gelingen.

@Micha: Dein Link führt zu keinem lesbaren Dokument; angeblich ist das PDF beschädigt.

Martin
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Michael Schäfer

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Re: Anatomisch richtig zeichnen
« Antwort #20 am: 2018-02-08 11:41:04 »
Keine Ahnung, bei mir funktioniert der Link immer noch prima.

Ich schicke Dir das Teil aber mal per Mail. Kannst mir ja im Austausch auch mal Dein Fundstück schicken.

Gruß
Micha
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Rainer Breitling

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Re: Anatomisch richtig zeichnen
« Antwort #21 am: 2018-02-08 11:53:30 »
Die von Micha verlinkte Seite scheint Probleme zu haben; unser Uni-Internet erlaubt mir aus Sicherheitsgründen nicht, sie zu öffnen. Aber die Datei gibt es auch anderswo im Netz, z.B. hier: http://trichopterology.blogspot.co.uk/2017/05/using-inkscape-for-biological.html
Beste Grüsse,
Rainer

Martin Lemke

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Re: Anatomisch richtig zeichnen
« Antwort #22 am: 2018-02-08 12:25:37 »
Ich glaube, mit Literatur bin ich jetzt ganz gut eingedeckt. Danke!

Die Praxis wird schwieriger. Ich muss ja nicht mit den schwierigsten Teilen beginnen.

Martin
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Arno Grabolle

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Re: Anatomisch richtig zeichnen
« Antwort #23 am: 2018-02-09 07:38:55 »
Ich muss ja nicht mit den schwierigsten Teilen beginnen.

Wollte ich auch schon sagen: Man kann sich viel Enthusiasmus verderben, wenn man gleich mit den problematischeren Sachen beginnt und die Ansprüche zu hoch ansetzt.

Ich denke auch, du musst eine „Vorzeichnung“ mit Bleistift machen, diese so lange korrigieren, verbessern, bis alles passt (1.Schritt: mit Zeichentubus, 2. Schritt per Auge Details verfeinern, die durch den Tubus nicht zu sehen sind. Danach würde ich diese Bleistiftzeichnung über dienen klassischen Lichttisch (25 Euro bei Amazon) noch einmal sauber mit Fineliner durchzeichnen. Da kann man dann z.B. mit 2 verschiedenen Dicken arbeiten, für Körperkanten und für Binnenkonturen. Und wenn es nötig ist, noch ein paar Teile punktieren (mit Fineliner bleibt einem fats nichts anderes übrig). Dann scannen -> Schwarz und Weiß ein wenig nachziehen, um eine gute Stichgrafik daraus zu machen. Hier kann man in PS auch ein paar falsch gesetzte Linien retuschieren usw. Fertig.

Arno

Martin Lemke

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Re: Anatomisch richtig zeichnen
« Antwort #24 am: 2018-02-09 07:54:52 »
Ich denke auch, du musst eine „Vorzeichnung“ mit Bleistift machen, diese so lange korrigieren, verbessern, bis alles passt (1.Schritt: mit Zeichentubus, 2. Schritt per Auge Details verfeinern, die durch den Tubus nicht zu sehen sind.

Das habe ich mir auch überlegt. Nur die Poportionen übertragen; ein paar Punkte und Linien und anschließen freihändig vervollständigen.

Zu sehen sind die Teile mit dem Tubus schon. Die Zeichnung wird ja ins Bino-Bild gepiegelt und nicht, wie ich früher immer dachte, das Bino-Bild auf das Papier. Aber es reicht eine minimale Auslenkung des Tubus, um dann auf dem Papier eine Linie falsch anzusetzen – die Epigyne im Beispiel oben ist gerade mal 500 µm breit.

Zitat
Danach würde ich diese Bleistiftzeichnung über dienen klassischen Lichttisch (25 Euro bei Amazon) noch einmal sauber mit Fineliner durchzeichnen.

Mit Tusche?

Ich probiere das mal. Erstmal sehen, ob ich ein passendes Objekt finde. Die Vulva war definitiv nicht das geeignete Einstiegsobjekt.

Das Papier war auch nicht gut geeignet. Es war superglattes Farblaserpapier. Etwas anderes hatte ich nicht. Ich habe gestern etwas gröberes Zeichenpapier gekauft; hoffentlich ist es nicht zu grob – es war das feinste grobe Papier, das ich gefunden habe.

Zum Schattieren empfiehlt Otto Kraus (1968) eine Runzelkornpapier-Technik, allerdings frage ich mich, ob sowas heute überhaupt noch handelsüblich ist. Kennst Du Runzelkornpapier? Offensichtlich habe es schon andere ohne Erfolg zu beschaffen versucht. Es muss ja nicht zwingend Runzelkorn sein, es geht vermutlich auch jede andere feine rauhe Struktur.

Martin
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Arno Grabolle

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Re: Anatomisch richtig zeichnen
« Antwort #25 am: 2018-02-13 21:38:54 »
Ich habe eben noch ein paar (bisher unveröffentlichte) Grafiken von mir wiedergefunden. Zur Diskussion:

Euophrys-innotata_Sardinien-Fluminimaggiore_13-04_01-Ped-Grafik.jpg
*Euophrys-innotata_Sardinien-Fluminimaggiore_13-04_01-Ped-Grafik.jpg (67.51 KB . 800x752 - angeschaut 910 Mal)
Lathys-spec_Sardinien-DueneMagazzini_13-04_02-epigyne-vulva-Grafik.jpg
*Lathys-spec_Sardinien-DueneMagazzini_13-04_02-epigyne-vulva-Grafik.jpg (137.17 KB . 800x929 - angeschaut 902 Mal)
Poecilochroa-spec_Sardinien-MonteForte_13-04_03-Epig-Vulva-Grafik.jpg
*Poecilochroa-spec_Sardinien-MonteForte_13-04_03-Epig-Vulva-Grafik.jpg (103.17 KB . 800x880 - angeschaut 972 Mal)
Poecilochroa-spec_Sardinien-MonteForte_13-04_04-Ped-Grafik.jpg
*Poecilochroa-spec_Sardinien-MonteForte_13-04_04-Ped-Grafik.jpg (87.74 KB . 800x727 - angeschaut 979 Mal)

Arno

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Re: Anatomisch richtig zeichnen
« Antwort #26 am: 2018-02-13 21:50:03 »
Bezüglich anatomischer Korrektheit: hat deine Euophrys wirklich keine Tibialapophyse? (Also ich frage nur, eher überrascht. War am Donnerstag wieder am Bestimmen von Museummaterialien und stieß auf ein E.-Männchen. Im Schlüssel in Araneae hatten doch die meisten einheitlich aussehende nadelförmige Tibialapophysen)

Arno Grabolle

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Re: Anatomisch richtig zeichnen
« Antwort #27 am: 2018-02-13 23:37:36 »
Du hast Recht. Sie ist so dünn und unauffällig, dass ich sie übersehen haben muss. Man kann sie auf Pierres Fotos der Art sehen.

Danke!

Arno

Rainer Breitling

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Re: Anatomisch richtig zeichnen
« Antwort #28 am: 2018-02-14 10:49:00 »
Hallo Arno,

Es ist doch geradezu frivol diese Abbildungen kritisch zu diskutieren; da können ja die meisten Veröffentlichungen nicht mithalten, und meine eigenen Zeichenversuche schon gar nicht.

Aber da Du die Bilder ja ausdrücklich "zur Diskussion" eingestellt hast, habe ich trotzdem versucht, Verbesserungsmöglichkeiten zu finden. Dabei sind mir aber nur Details aufgefallen, die auch in allen anderen Autoren nicht deutlich dargestellt werden, vermutlich weil sie (wie die transparente RTA) enorm schwierig zu sehen/interpretieren sind. Ein Beispiel ist der Verlauf des Spermophors bei Euophrys: in der Zeichnung sieht das so aus, als bilde der einen geschlossenen Kreislauf ohne deutlichen Zugang zum Embolus (rot markiert). Ich nehme an, dass der tatsächliche Verlauf etwa der grünen Linie folgt:

EuophrysInnotataPedipalp.jpg
*EuophrysInnotataPedipalp.jpg (147.78 KB . 340x646 - angeschaut 951 Mal)

Das bedeutet aber, dass der distale Teil des Kanals nicht ganz korrekt wiedergegeben ist (zu breit, und mit einer Rechtskurve, die nicht wirklich existiert).Wenn ich mit die zugrundeliegenden Fotos anschaue, scheint es, als seien hier Spermophor und Tegulumrand zeichnerisch fusioniert worden.

Auch bei der Poecilochroa-Epigyne wird mir nicht ganz deutlich, wie ich mir Ein- und Ausgang der Rezeptakula vorstellen muss, und wie die dargestellten Strukturen zusammenhängen. Die Fotos helfen hier leider nicht weiter. Aber, wie gesagt, das haben andere Autoren auch nicht deutlicher dargestellt.

Beste Grüsse,
Rainer

Arno Grabolle

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Re: Anatomisch richtig zeichnen
« Antwort #29 am: 2018-02-14 17:54:56 »
Danke Rainer. Hier sieht man schön, wie unvollständiges Wissen über die Strukturen zu Fehlinterpretationen führen.

Mir war zwar klar, dass das keine geschlossene Schleife sein kann, ich konnte die sichtbaren Strukturen aber nicht anders deuten. Ich muss wohl doch mal mit Nelkenöl oder eurem neuen Green Oil arbeiten, um noch mehr sehen zu können.

Ich wollte mich eigentlich gar nicht auf diese internen Strukturen der Palpen einlassen. Ich war bisher der Meinung, dass diese nicht besonders bestimmungsrelevant sind.

Deine Zeichnungen sind mir bisher gar nicht aufgefallen. Da haben sich ja schon einige angesammelt. Du machst sie im Illustrator? Einige sind doch schon „Lehrbuchreif“ (z.B. der Ped. von Parachtes teruelis). Schwierig wird es scheinbar immer dann, wenn die Strukturen räumlich komplexer werden. Da kann man in dieser Technik nicht mehr gut trennen zwischen Überlagerungen und druchscheinendem.

Arno